Weil du ein zärtlicher Mann bist
sein Zimmer. Und er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete.
Seine Freunde würden sich über ihn totlachen, so viel war ihm klar, denn er stand in dem Ruf, ein ziemlicher Frauenheld zu sein. Doch die Wahrheit war, dass das Image des bösen Jungen nicht stimmte, zumindest in den letzten Jahren nicht, als er viel zu sehr beschäftigt gewesen war, um dem zu entsprechen.
Er blickte über die Schulter und versuchte, in dem schwachen Licht ihren Gesichtsausdruck zu erkennen. Für alle Fälle drückte er aufmunternd ihre Hand und lächelte.
Sie erwiderte sowohl den Händedruck als auch das Lächeln. Das schien ihm vielversprechend. Wenn er Glück hatte, würden sich seine Träume und die Wirklichkeit in dieser Nacht vermischen.
Langsam schoben sie sich durch die Lobby, in der es von lauten, aufgeregten Menschen nur so wimmelte.
“Sind all diese Leute hier gestrandet?”, wunderte sie sich laut.
Mike blieb nicht stehen, doch er drückte erneut ihre Hand, um ihr zu zeigen, dass er sie verstanden habe. “Sieht so aus.”
“Wie schrecklich.”
Das war es tatsächlich, und es tat ihm auch leid, aber nicht so sehr, dass er noch mehr Leute in sein Zimmer einlud. Inmitten all der Arbeit hatte er durch Zufall etwas für sich gefunden. Frivol. Sogar gefährlich, wenn man an all die Probleme heutzutage dachte, die mit flüchtigem Sex verbunden waren. Aber etwas an dieser Frau sagte ihm, dass sie anders war.
Ein sanfter Schimmer von diversen Leuchtern und Kerzen zeigte ihnen den Weg zu den Fahrstühlen, die natürlich auch nicht funktionierten. Davor standen ebenfalls Menschen, die ratlos auf die geschlossenen Türen starrten.
Mikes Zimmer befand sich im sechsten Stock.
Es hätte schlimmer, viel schlimmer kommen können. “Wir müssen die Treppen nehmen”, meinte er bedauernd und zog sie neben sich. Es war ihm nicht wohl bei der Sache, doch nicht seinetwegen. Wegen der körperlichen Anforderungen an seinen Job, ganz zu schweigen von dem harten Training, dem er ständig unterzogen wurde, hätte er die Treppen in zwei Minuten hinauflaufen können, ohne ins Schwitzen zu geraten.
Aber ihr würde es nicht so leichtfallen. Ihr Rock war zwar nicht gerade lang, aber eng und bestimmt hinderlich, und diese hohen Absätze … nun, sie betonten ihre tollen Beine, aber sie waren sicherlich nicht praktisch. “Sechs Stockwerke”, fügte er entschuldigend hinzu.
Sie murmelte etwas Unverständliches.
“Wir gehen langsam”, versicherte er ihr und hätte schwören können, dass sie leise lachte. Aber als er sie anschaute, lächelte sie lediglich.
“Ich bin bereit, wenn Sie es sind”, sagte sie.
Als er die Tür zum Treppenhaus öffnete, wurden sie von völliger Dunkelheit empfangen. Um die Frau neben sich zu beruhigen, nahm er wieder ihre Hand. “Keine Angst”, sagte er und zog einen Stift aus der Tasche, den man gleichzeitig als Taschenlampe benutzen konnte. Als er ihn aufblitzen ließ, schaute sie ihn überrascht an.
“Sie haben eine Taschenlampe dabei?”
Ja, er hatte eine Taschenlampe dabei. Und einen elektronischen Organizer im Miniformat. Und ein Handy mit sämtlichen technischen Neuerungen. Er war ein Technik-Freak, dagegen konnte er nichts machen. Zu seiner Entschuldigung konnte er nur anführen, dass er so viele Jahre in Russland verbracht hatte, weit entfernt von seinem Heimatland. Mit seinen technischen Spielzeugen fühlte er sich Amerika irgendwie näher.
“Sie müssen Ingenieur sein”, entschied sie.
“Bin ich nicht.”
Ihre Lippen zuckten, ihre Augen funkelten vergnügt, und sie war so schön, dass es ihm den Atem raubte.
“Sind Sie sicher?”, neckte sie ihn. “Wenn ich es mir recht überlege, sehen Sie aus wie einer.”
“Wollen Sie es wirklich wissen?”, fragte er leise und verspürte auf einmal den Wunsch, ihr von sich zu erzählen, weil er im Gegenzug alles über sie erfahren wollte. Es war albern, sogar gefährlich, denn es würde eine zusätzliche, emotionale Verbindung schaffen, und er ahnte ohnehin schon, dass das, was auch immer in dieser Nacht noch passierte, die aufregendste Begegnung werden würde, die er je erlebt hatte.
Sie sah ihn nachdenklich an und schüttelte dann den Kopf. “Nein”, flüsterte sie fast bedauernd und strich ihm mit dem Finger sanft über die Lippen. “Nein, ich möchte es lieber nicht wissen.”
Eine ganze Weile regte er sich nicht, in der Hoffnung, dass sie ihre Meinung ändern würde, doch dann war der Augenblick vorbei, und er zwang sich zu einem Lächeln.
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