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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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versuchen.«
     
    »Gut. Das sollten Sie.«
     
    Zwanzig Minuten später war Frau Ludwig fort. Zuvor war sie noch von Zimmer zu Zimmer gegangen und hatte nachgeschaut, ob alles seine Ordnung hatte. Man hatte Paula angeboten, eine Putzfrau einzustellen, doch sie hatte das vehement abgelehnt. Sie würde es allein schaffen. Sie musste es.
     
    An diesem Tag hatte Frau Ludwig nichts auszusetzen. Paulas Freundin Kathi war vor zwei Tagen vorbeigekommen und hatte die Wäsche mit ihr gemacht, außerdem die Einkäufe. Wenn Paula sie nicht hätte. Allein in den Supermarkt traute sie sich noch nicht. Sie wusste nicht, wo was stand und war noch nicht so sicher mit dem Blindenstock, dass sie es über die Straße und durch die schmalen Gänge des Supermarktes geschafft hätte.
     
    Zur Gruppentherapie fuhr sie mit dem Fahrdienst. Der Fahrer wusste Bescheid, jeden Dienstag und jeden Freitag holte er sie um Punkt achtzehn Uhr dreißig an ihrer Wohnungstür ab, geleitete sie zum Taxi und fuhr sie zur Therapie. Zwei Stunden später holte er sie von dort wieder ab und brachte sie zurück nach Hause.
     
    Sobald Frau Ludwig weg war, ging Paula ans Wohnzimmerfenster und setzte sich auf den Stuhl davor. Sie ließ sich das seichte Sonnenlicht ins Gesicht scheinen und stellte sich vor, wie die Welt da draußen wohl aussah.
     
    Es war September in Hamburg. Lagen wohl schon die ersten Blätter am Boden, orange und gelb und braun? Waren die Kastanien bereits von den großen Bäumen gefallen?
     
    Paula dachte an einen Herbst zurück, als die Welt noch in Ordnung war. Damian war vielleicht zwei Jahre alt, er hatte Laufen gelernt und tapste durch die Laubhaufen. Immer wieder fiel er in sie hinein, doch er erschrak sich nicht, er lachte nur fröhlich. Die Erinnerung daran ließ auch Paula lachen. Für einen Moment vergaß sie ihren Schmerz. Doch im nächsten Moment war er wieder allgegenwärtig und eine Träne lief ihr die Wange hinunter.

Gemeinsam einsam
     
     
    Am Dienstagabend saß Paula auf einem der harten Holzstühle, die vermutlich in einem Kreis standen, und wartete, halb gespannt, halb ängstlich, auf das Kommende.
     
    Auch wenn die Therapiestunde eine Pflichtveranstaltung war und sie sie im Grunde hasste, war sie so gut wie die einzige Möglichkeit für Paula, unter Leute zu kommen. So ungern sie auch von sich selbst erzählte, so gerne hörte sie doch den anderen zu. Es tat gut zu wissen, dass sie nicht die Einzige war, die litt, die alles verloren hatte. Es tat gut zu wissen, dass der liebe Gott nicht nur sie allein im Stich gelassen hatte.
     
    »Heute möchte ich euch ein neues Mitglied dieser Runde vorstellen«, sagte Johannes. »Finn, willkommen bei uns.«
     
    Finn nickte, lächelte schüchtern und sah sich in der Runde um.
     
    Paula wartete darauf, dass er etwas erwiderte, doch er tat es nicht, es blieb still.
     
    »Finn ist stumm, er wird sich mithilfe von Zeichensprache mit uns verständigen. Beherrscht einer von euch Zeichensprache?«
     
    Paula wusste nicht, ob sich jemand meldete.
     
    »Nein? Das macht nichts, dafür habt ihr ja mich«, sagte Johannes kurz darauf. »Ich werde für euch übersetzen. Also, Finn, möchtest du dich uns vorstellen?«
     
    Finn sagte NEIN in Zeichensprache. Nein, er wollte sich nicht vorstellen, er wollte überhaupt nicht hier sein.
     
    »Nein? Das ist in Ordnung. Vielleicht beim nächsten Mal.«
     
    Paula fand die Situation surreal. Sie konnte Finn weder sehen noch hören, so als gäbe es ihn gar nicht wirklich. Wie er wohl aussah?
     
    »Wie siehst du aus, Finn?«, fragte sie. Sie hatte es nicht beabsichtigt, die Worte hatten sich selbstständig einen Weg aus ihrem Mund gebahnt.
     
    Finn blickte überrascht auf. Die junge Frau ihm im Kreis gegenüber hatte eine Frage gestellt. Warum wollte sie wissen, wie er aussah? Konnte sie ihn denn nicht sehen?
     
    »Oh, Paula«, sagte Johannes hörbar überrascht. Sie hatte in den letzten Sitzungen nie viel gesagt, so eine Frage kam für ihn wohl ziemlich unerwartet. »Ein guter Einwand, denn du kannst Finn ja gar nicht sehen. Wenn es recht ist, werde ich ihn dir beschreiben. Er ist jung, mittelgroß, hat gelocktes braunes Haar. Er trägt Jeans, Chucks und ein graues Sweatshirt.«
     
    »Warum spricht er nicht?« Sie wusste überhaupt nicht, was in sie gefahren war. Wieso stellte sie all diese Fragen?
     
    »Ich weiß nicht, ob Finn das schon offenbaren möchte. Finn?«
     
    Finn zuckte mit den Achseln. Er wusste es nicht, eigentlich war doch eh

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