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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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hinters Ohr.
     
    Er musste einfach zu ihr gehen.
     
    Jemand stand neben ihr, ganz nah. Sie konnte es spüren. »Wer ist da?«, fragte sie.
     
    Keine Antwort.
     
    Dann berührte jemand ihren Arm. Sie mochte es nicht, berührt zu werden. Es war immer nur eine Mitleidsgeste, und sie wollte kein Mitleid mehr wie ein kleines Hündchen, das in einen Wassereimer gefallen war.
     
    Paula wollte endlich wieder wie ein normaler Mensch behandelt werden, ernst genommen werden. Sie wollte nicht mehr dieses Mitgefühl in den Stimmen der Leute hören, das bei jedem Laut sagte: »Oh, die arme blinde Frau, hat Mann und Tochter verloren, armes, armes Ding.«
     
    Wie gerne wollte sie einmal heraushören: »Oh, diese starke blinde Frau, wie sie das schafft, ihr Leben weiterzuleben trotz der Tragödien der Vergangenheit.«
     
    Paula war stark! Sie war es. Wäre sie es nicht, hätte sie schon längst aufgegeben, den Kopf in den Sand gesteckt, den Kopf in den Ofen gesteckt. Sie hätte den Kummer nicht bewältigen können. Doch das tat sie, Tag für Tag. Sie bewältigte ihn, lebte mit ihm, akzeptierte ihn, auch wenn er so sehr schmerzte, dass ihre Glieder ganz taub waren und ihr Herz so voll Trauer war, dass sie erwartete, es würde irgendwann einfach schlappmachen.
     
    Aber sie hielt durch. Für Max, der es von ihr erwartet hätte. Für Damian, der seine Mama zurückhaben wollte. Für eine Zukunft, irgendeine Zukunft. Wenn sie nicht mehr an die Zukunft glaubte, könnte sie gleich aufhören, an das Leben zu glauben.
     
    Das Leben war nicht mehr das Leben, nicht das Leben, das es einmal war. Alles, was Paula noch hatte, war die Vergangenheit, die wundervolle Erinnerung. Alles, was vor ihr lag, war ein neues Leben. Was es werden würde, lag allein an ihr.
     
    Er hatte ihren Arm genommen. Zwar wusste er nicht, wie sie reagieren würde, doch wollte er sie spüren, berühren.
     
    So sehr sie Berührungen normalerweise auch verabscheute, war diese Berührung eine andere. Sobald sie sie spürte, durchfuhr sie ein Gefühl von Wärme. Ein Licht durchflutete ihren ganzen Körper, ein Licht, das sie nicht kannte oder nicht mehr kannte.
     
    »Wer bist du?«, fragte sie wieder, obwohl sie es bereits ahnte.
     
    Noch immer keine Antwort, nur der Griff um ihren Unterarm, der ihr das Licht schenkte.
     
    »Bist du der Neue? Finn?« Sie hatte so ein Gefühl. »Wenn du es bist, dann drücke meine Hand.«
     
    Sollte er sich zu erkennen geben?
     
    Kurz darauf spürte sie, wie der Griff um ihren Arm sich löste, hinunter wanderte zu ihrer Hand und sie kurz darauf drückte.
     
    Sie wusste nicht, wie ihr geschah, wusste nicht, was sie sagen sollte. Was war das nur für ein Gefühl? Konnte es Geborgenheit sein, von der sie fast schon vergessen hatte, dass sie existierte? Aber sie kannte diesen Mann doch überhaupt nicht, und eigentlich war er mit seinen zwanzig Jahren auch eher noch ein Junge. Was passierte nur mit ihr?
     
    »Fühlst du es auch?«, fragte sie. »Ich muss es wissen.«
     
    Er fühlte es auch. Es war so unwirklich, so unerwartet und wundervoll. Eine nie gekannte Wärme durchströmte ihn auf einmal.
     
    Sie spürte erneut einen leichten Druck, Finn drückte ihre Hand. JA.
     
    »Oh mein Gott«, war alles, was Paula sagen konnte.
     
    So standen sie da, Hand in Hand, nicht fähig, einander loszulassen.
     
    Hätte Paula sehen können, hätte sie die Blicke der anderen wahrgenommen. Erstaunte Blicke. Verwunderte Blicke. Gönnerhafte Blicke. Traurige Blicke.
     
    Finn konnte sie sehen, die Blicke. Sie kümmerten ihn nicht im Geringsten. Wenn die ganze Welt ihnen zugesehen hätte, es wäre ihm gleichgültig gewesen. Was taten sie denn schon? Nichts Schlimmes, nichts Besonderes, sie hielten Händchen. Und doch war diese kleine Geste von so großer Bedeutung für sie beide. Kein anderer könnte es je erahnen.
     
    Johannes kam auf Paula und Finn zu und sagte: »Oh, da scheinen sich ja zwei angefreundet zu haben. Ich freue mich für euch.«
     
    Im nächsten Moment war der Fahrer da. Finn sah ihn auf Paula zukommen.
     
    »Ich muss gehen«, sagte Paula.
     
    Finn hielt noch immer ihre Hand, die nicht von ihr lassen wollte.
     
    Sie musste vernünftig sein und löste sich von ihm, was einen Schmerz in ihr auslöste, als wenn man ein Pflaster abgerissen hätte.
     
    »Wir sehen uns bald wieder«, sagte sie und ließ sich vom Fahrer hinausführen.
     
    Finn sah ihr traurig, verwirrt und glücklich nach.
     
    Sie saß im Wagen und spürte, wie

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