Weil ich Layken liebe

vor und schaut zu Boden. Im Publikum wird es leise und irgendwann ist das einzige Geräusch im ganzen Raum das ihres Atems, der durch die Lautsprecher verstärkt wird.
    Ohne aufzublicken, hebt sie die Hand mit dem Mikro und beginnt dann gleichmäßig mit dem Zeigefinger dagegenzuklopfen, was sich anhört wie das Pochen eines schlagenden Herzens. Ich merke, dass ich die Luft anhalte, als sie zu sprechen beginnt.

    bu-bumm
    bu-bumm
    bu-bumm

    Hörst du das?
    Das ist mein Herzschlag.
    Sie klopft wieder gegen das Mikro.

    bu-bumm
    bu-bumm
    bu-bumm

    Hörst du das?
    Das ist dein Herzschlag.
    Sie spricht jetzt schneller und lauter.

    Es war Anfang Oktober und ich hatte meinen blauen Pulli an. Du weißt schon, welchen. Den, den ich mal bei Dillard’s gekauft hab. Den mit dem breiten Bund und den Löchern in den Ärmeln, durch die ich die Daumen stecken konnte, wenn es kalt war, ich aber keine Lust hatte, Handschuhe anzuziehen. Der Pulli, von dem du immer gesagt hast, dass er meine Augen strahlen lässt wie Sterne, die sich im Meer spiegeln. In der Nacht hast du versprochen, mich immer zu lieben …
    und – oh Mann,
    das hast du.
    Und wie
    du mich
    geliebt hast!

    Es war Anfang Dezember und ich hatte meinen blauen Pulli an. Du weißt schon, welchen. Den, den ich mal bei Dillard’s gekauft hab. Den mit dem breiten Bund und den Löchern in den Ärmeln, durch die ich die Daumen stecken konnte, wenn es kalt war, ich aber keine Lust hatte, Handschuhe anzuziehen. Der Pulli, von dem du immer gesagt hast, dass er meine Augen strahlen lässt wie Sterne, die sich im Meer spiegeln.
    Ich hab dir gesagt, dass ich drei Wochen überfällig bin.
    Du hast gesagt, dann wäre es Schicksal.
    In der Nacht hast du versprochen, mich immer zu lieben …
    und – oh Mann,
    das hast du.
    Und wie
    du mich
    geliebt hast!

    Es war Anfang Mai und ich hatte meinen blauen Pulli an, nur dass der breite Bund inzwischen ausgeleiert war und die Maschen gedehnt von meinem wachsenden Bauch.
    Du weißt, welcher Pulli, oder?
    Der Pulli, den ich mal bei Dillard’s gekauft hab? Der mit den Löchern in den Ärmeln, durch die ich die Daumen stecken konnte, wenn es kalt war, ich aber keine Lust hatte, Handschuhe anzuziehen?
    Der, von dem du immer gesagt hast, dass er meine Augen strahlen lässt wie Sterne, die sich im Meer spiegeln.
    Der, den du zerrissen hast, als du mich zu Boden gestoßen und Nutte genannt hast.
    Als du mir gesagt hast,
    dass du mich
    nicht
    mehr
    liebst.

    bu-bumm
    bu-bumm
    bu-bumm

    Hörst du das?
    Das ist mein Herzschlag.

    bu-bumm
    bu-bumm
    bu-bumm

    Hörst du das?
    Das ist dein Herzschlag.
    Langes Schweigen, während sie sich die Hände an den Bauch presst und Tränen über ihr Gesicht laufen.

    Hörst du das? Nein, natürlich hörst du nichts.
    Das ist die Stille in meinem Bauch.
    Weil du
    DEN
    PULLI
    ZERRISSEN
    HAST!
    Das Licht geht an und das Publikum jubelt, klatscht und stampft mit den Füßen auf den Boden. Nachdem ich mir die Tränen aus den Augen gewischt habe, muss ich erst mal tief Luft holen. Ich bin wie betäubt und staune darüber, wie dieseFrau es geschafft hat, einen ganzen Club voller Menschen in den Bann zu ziehen. Mit nichts als ihren Worten. Ich bin völlig fasziniert und möchte unbedingt mehr hören. Will legt einen Arm um mich, lehnt sich mit mir ins Polster und bringt mich wieder ins Hier und Jetzt zurück.
    »Und?«, sagt er.
    Mein Kopf ruht an seiner Schulter, während wir beide über das Publikum hinweg zur Bühne sehen.
    »Das war … Wahnsinn«, sage ich. Will streicht mir über die Schläfe und ich spüre hauchzart den Druck seiner Lippen auf meiner Stirn. Ich schließe die Augen und frage mich, wie ich diese emotionale Achterbahn überstehen soll. Vor drei Tagen war ich noch am Boden zerstört und konnte mir nicht vorstellen, dass in meinem Leben jemals wieder etwas Schönes passiert. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war ich zum ersten Mal seit Monaten glücklich. Das bin ich immer noch, aber jetzt fühle ich mich zusätzlich total verletzlich, so übermächtig ist das, was ich empfinde. Fast kommt es mir so vor, als wäre ich diejenige, die dort oben auf der Bühne steht und ihr Innerstes entblößt, und das jagt mir eine Höllenangst ein.
    Wir bleiben weiter umarmt sitzen, während der richtige Wettbewerb beginnt und die Teilnehmer nacheinander ihre Texte vortragen. Die Stücke haben alle eine solche Wucht und Intensität, dass nicht nur ich wie hypnotisiert dasitze. Das Publikum lauscht atemlos und der