Weinland & Stahl
Gesicht zur Seite, um wenigstens ab und zu einen Schwall frischer Nachtluft in ihre Lungen zu saugen, und schließlich legten sich ihre Finger um die Kante der Dachöffnung.
Doch sie kam nicht dazu, auch den Kopf so weit vorzustrecken, dass sie hinabsehen konnte.
Eine Stimme peitschte zu ihr heran und ließ sie erstarren.
"Wer bist du? Was tust du hier?"
Heaven drehte sich in ihrer liegenden Position herum.
Und sah die Nonne, die einem Racheengel gleich zwischen dem Gebälk des Glockenturmes stand.
"Was geht da unten vor?" fragte Heaven zurück und nutzte die Gelegenheit, sich in die Hocke aufzurichten, was auf dem schrägen Dach und in Anbetracht der Tatsache, dass der Tau die moosigen Schindeln schmierig machte, kein ganz einfaches Unterfangen war.
"Nichts, was dich zu interessieren hätte", fauchte die Nonne zurück.
"Du erlaubst, dass ich das ein wenig anders sehe", erwiderte Heaven und schob sich vorsichtig ein Stück näher an den Glockenturm heran.
Ihre Gedanken rotierten.
Was sollte sie tun?
Wenn diese Frau die Vampire und Nonnen da unten auf sie aufmerksam machte, war vermutlich alles verloren. Nicht einmal sie hatte gegen Hunderte von Blutsaugern eine Chance, auch dann nicht, wenn sie mehr tot als lebendig waren. Ein einziges Händepaar genügte, ihr den Hals zu brechen, wenn Dutzende von Leibern sie unter sich begruben. Es musste nicht einmal besonders kräftig sein...
Heaven musste die Nonne daran hindern, Alarm zu schlagen. Und sie musste es auf sanfte Weise tun. Die junge Frau dort konnte sehr wahrscheinlich nichts für das, was sie tat und sagte. Sie musste, wie ihre Schwestern, im Bann der Vampire stehen, und vielleicht konnte Heaven sie davon befreien. Später, wenn alles vorbei war und sich die Gelegenheit dazu ergab.
Doch um etwas unternehmen zu können, musste Heaven an die Nonne herankommen.
Das wiederum zählte zu ihren leichteren Übungen...
Als flatternder Schatten überwand Heaven die Distanz und setzte in gewohnter Gestalt sicher auf dem mehrere Fuß breiten Sims auf, der den Glockenschacht umlief.
Rebecca wurde von der Aktion überrascht. Aber doch nicht so sehr aus dem Konzept gebracht, dass sie ihr eigentliches Vorhaben, ihren
Befehl
vergessen hätte.
Und der lautete, die Fremde aufzuhalten!
Fauchend wirbelte sie zu Heaven herum, und noch in der gleichen Bewegung warf sie sich der Halbvampirin mit klauenartig gespreizten Fingern entgegen. Heaven wich den zupackenden Händen aus, doch sie rechnete nicht mit der Hinterlist der Nonne.
Rebecca riss das Bein hoch und versetzte ihrer Gegnerin einen Tritt, der sie taumeln ließ und an den Rand des Simses trieb.
Und darüber hinaus.
Auf dem feuchten Stein rutschten Heavens Füße ab.
Sie stürzte – wenn auch nur ein paar Meter tief.
Dann schoss sie einer pelzigen Kanonenkugel gleich wieder aus dem Schacht empor, brachte die Nonne mit ein paar klatschenden Schlägen ihrer Flügel in Verwirrung und verwandelte sich schließlich zwei Schritte hinter ihr zurück.
Noch bevor Rebecca sich erneut nach ihr umdrehen konnte, war Heaven bei ihr und drehte ihr den rechten Arm so auf den Rücken, so dass jede unbedachte Bewegung ihr Höllenschmerzen bereiten musste.
Doch Heaven konnte nicht ahnen, dass der Nonne Schmerzen ebenso wenig bedeuteten wie ihr eigenes Leben. Wo es doch etwas ungleich Wichtigeres und Wertvolleres zu schützen galt...
Rebecca ließ sich scheinbar schicksalsergeben im Griff der Halbvampirin zusammensacken –
– und kippte dann einfach zur Seite!
Heaven wurde davon so überrascht, dass es viel zu lange dauerte, bis sie reagierte.
Miteinander stürzten die beiden Frauen in den Schacht. Und das eigentlich Schlimme daran war, dass Rebecca ohne einen Schrei in den Tod ging.
Heaven transformierte etwa auf halber Strecke in die Tiefe. Doch für Rebecca konnte sie nichts tun. In ihrer Fledermausgestalt konnte sie den Sturz der anderen nicht aufhalten. Und in ihrer menschlichen Form wäre sie selbst beim Aufprall zu Tode gekommen.
Aber auch Rebecca schlug nie unten auf.
Irgendwie – Heaven sah nicht, wie es wirklich geschah – verfing sich der stürzende Körper der Nonne in den Glockenseilen. Sie schlangen sich um ihren Leib, um ihren Hals –
– doch das Brechen ihres Genicks ging unter in dem dröhnenden Lärm, der den Glockenturm mit einem Mal füllte und der so heftig war, dass er Heaven taumeln ließ.
Rebeccas Leichnam schwang tief unten auf und nieder, und sein Gewicht, das an den Seilen
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