Weinland & Stahl
Gedanken, ich könnte zurückkehren wollen? Mir mangelt es hier an nichts.«
Die Bewegung der knöchernen Klaue schloss den ganzen Raum ein und wies dabei auch auf die umherliegenden Leichen.
»Ein Leben wie dieses ist deiner unwürdig«, sagte ich angewidert, während mein Blick Barabbas' Geste folgte.
»Es ist das Leben, das mir das Gesetz unserer Rasse aufbürdet. Ich habe meine Macht an einen anderen verloren und musste dem Tribut zollen.«
»Was besagt das Gesetz für den Fall, der nun eingetreten ist? Bamurak ist tot, die Sippe führungslos. Sie wird auseinanderbrechen und vergehen, wenn sie nicht von starker Hand geleitet wird – von einer Hand wie der deinen«, erwiderte ich, hoffend, dass meine Leidenschaft in anstecken würde.
»Von einer Hand wie der meinen?«, Barabbas lachte rau. Er reckte mir die Klaue entgegen. »Welche Macht soll eine solche Hand noch ausüben, frage ich dich...«
»Es muss doch eine Möglichkeit geben, deinen Geist wieder mit dem Körper zu vereinen«, rief ich verzweifelt und wies in die Finsternis um uns her. Obwohl ich längst nicht alle Geheimnisse der Magie der Alten Rasse kannte, so glaubte ich doch zu begreifen, was hier geschehen war. Barabbas' eigentliches Wesen hatte sich offenbar aus dem Körper zurückgezogen, um in dem gesetzmäßig darbenden Leib keinen Schaden zu nehmen. Trotzdem blieb er ihm nahe. War dies nicht schon ein Indiz dafür, dass nicht alles verloren war?
»Viel Blut wäre nötig, um...«, antwortete Barabbas' Stimme.
Mehr konnte sie nicht verraten.
Alle Kraft schien in diesem Augenblick aus dem trockenen Körper zu entweichen. In einer grotesken Bewegung stürzte er in den jahrtausendealten Staub, und zugleich
verformte
sich die allseitige Schwärze, als wäre sie mit einem Mal stofflich geworden und würde von überall her gepresst und gedehnt.
Ich kam nicht mehr dazu, auch nur in Gedanken nach dem Warum zu fragen.
Ich spürte den Grund selbst.
Und aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass es Bahid, der sich eben von Barabbas' zweiter Attacke erholt hatte, nicht anders erging.
Ein schreiender Chor tonloser Stimmen erscholl in unseren Köpfen, und wir ertranken fast in einem Meer von Schmerzen.
Die Schreie und Schmerzen sterbender Vampire!
Todesimpulse!
Im fernen Kairo mussten in diesen Augenblicken Mitglieder unserer Sippe qualvoll krepieren.
Viele.
Alle...?
Die Gewalt, mit der die Todesimpulse heran brandeten, ließ das Schlimmste befürchten.
Barabbas, aufgeteilt in Geist und Körper, war unter dem Ansturm der Schmerzen und Schreien seiner Blutkinder zusammengebrochen. Mein sich nur allmählich klärender Blick hing wie gebannt an der dürren Gestalt, die sich kaum von dem Staub am Boden unterschied.
Erst Bahids rüttelnde Hand 'weckte' mich vollends.
»Boram! Verstehst du denn nicht? Wir müssen zurück!«
»Zurück?«, echote ich lahm.
»Zurück nach Kairo! Um zu retten, was noch zu retten ist!«
Es gab nichts, was noch zu retten gewesen wäre.
Das palastähnliche Haus am Rande Kairos, wohin der Rest unserer Sippe ihren Versammlungsort verlegt hatte, wurde bei unserer Ankunft nur noch von Tod beherrscht.
Die prachtvoll ausstaffierten Räume waren verwüstet, und es bedurfte keiner großartigen Phantasie, um sich vorzustellen, von welch mörderischem Ausmaß die Kämpfe gewesen sein mussten, die solche Zerstörung nach sich gezogen hatten.
Nirgends war Blut zu finden, obwohl kein einziges Mitglied der Sippe überlebt hatte. Nur ihre Knochen lagen wie morbide Dekorationen überall umher, völlig blank, wie abgeschliffen. Oder abgenagt...
Wir fanden keine Erklärung für die Ausrottung unserer Sippe. Wir wussten nicht, woher die Gefahr gekommen war, und ebenso wenig, ob sie noch immer drohte.
Und obwohl dieses Problem von wahrhaft existentieller Bedeutung war, rückte es alsbald in den Hintergrund. Verblasste vor den Folgen des Untergang der Sippe.
Denn die vampirische Macht in Kairo bröckelte und brach schließlich.
Wie es den Gepflogenheiten der Alten Rasse entspricht, so hatte man auch in Kairo wichtige Amtspositionen mit Dienerkreaturen besetzt; Menschen, die durch den Biss eines Vampirs zu folgsamen Marionetten wurden, selbst Blut zum Überleben brauchten, den Keim aber nicht weitergeben konnten. Sie taugten einzig zu Befehlsempfängern. Unter ihrem 'amtlichen' Schutz konnte die Macht der Vampire gedeihen, ohne dass man ihre Auswüchse von offizieller Seite verfolgt oder gar bekämpft hätte.
Mit der
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