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Weinwissen für Angeber

Weinwissen für Angeber

Titel: Weinwissen für Angeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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trefflich darüber philosophieren lässt und weil jeder prima zeigen kann, was für eine dicke Hose er doch hat und dass er mehr Fremdwörter kennt als Günther Jauch.

      
Positive Weinbeschreibungen
      
    Positive Statements sind in zwei Fällen angebracht.
    Fall 1: Der Wein ist wirklich gut.
    Fall 2: Der Wein ist von Ihnen.

      
    „Animalisch"
    Wenn Sie ein Mann sind und Damen anwesend, die Sie beeindrucken möchten, denen Sie eindeutig klar machen wollen, dass in Ihrem distinguierten Äußeren ein brunftiger Höhlenmensch steckt, der nur darauf wartet, Frauen die Kleider vom Leib zu reißen, dann sagen Sie bewundernd und mit tiefer Stimme „animalisch". Fügen Sie hinzu, dass es genau das sei, was Sie an einem Wein fasziniere. Benutzen Sie zudem die Worte „unbändig" oder „ungestüm", gerne genommen werden auch „kraftvoll" und „wild". Nehmen Sie dann einen großen Schluck und raunen Sie hörbar „Aaah!", als hätten Sie gerade das Blut Ihrer Feinde aus der Nachbarhöhle getrunken. Frauen mögen das. Bieten Sie Ihrem Objekt der Begierde daraufhin auch einen Schluck an. Sprechen Sie davon, was der Wein mit Ihrem Körper anstellt, ob sie all die „Unbändigkeit" und „Wildheit" spüre. So, den Rest müssen Sie jetzt schon alleine hinkriegen.

      
    „Ausgesprochen mineralisch"
    Wenn ein Wein nach nichts riecht (und zu Fisch passt), ist das der richtige Kommentar. Niemand hat jemals Minerale gerochen. Geht ja gar nicht.

      
    „Champignons aus der Dose"
    Das muss so. Die Region heißt Madiran und einige Weintrinker - die wahrscheinlich auch S/M-Praktiken nicht abgeneigt sind - lieben diese Weine heiß und innig. Eigentlich sollten sie lieber Weine aus der Rebsorte „Domina" trinken - aber Madiran ist eben der wirklich perverse Stoff. Muffige Keller, alte Fässer - hier gibt es einiges zu riechen, das sich sonst nirgendwo findet. Der Übeltäter - die Rebsorte Tannat - hat allerdings ein Gutes: Sie reift hervorragend. Nach etlichen Jahren des Wartens werden die Weine tatsächlich halbwegs trinkbar. Wer jetzt meint, diese Tropfen wären billig, der irrt sich gewaltig. Die Weine kosten deutlich mehr als eine Dose Champignons - obwohl man sie nicht in der Pfanne braten kann.

      
    „Davon würde ich mir schon ein paar Kisten hinlegen."
    Das Wein-Äquivalent zu „Die würde ich nicht von der Bettkante schubsen." Der große Weinkritiker Hugh Johnson hat ein ganz eigenes System, nach dem er Weine beurteilt. Solche, von denen er sich eine Flasche zulegen würde, solche, bei denen es eine ganze Kiste wäre, und schließlich die allerbesten, bei denen er gleich den ganzen Weinberg kaufen würde. Hugh Johnson verdient allerdings auch genug.

      
    „Der Abgang will ja niemals enden."
    Wenn der Wein nachschmeckt, und nachschmeckt. und nachschmeckt. und nachschmeckt., und man befürchtet, selbst nach dem Zähneputzen noch etwas davon zu haben, dann ist dieser Satz angebracht.

      
    „Der Wein hat viel Körper."
    Sie bekommen Ihre Zähne nicht mehr zusammen? Es ist, als hätte Ihnen jemand Socken in den Mund gestopft? Ist das nicht ein wunderbares Gefühl? Ja, so ist es mit den körperreichen Weinen. Und sie werden von Jahr zu Jahr körperreicher gemacht, denn die Winzer sind sich sicher, dass wir sie so, und nicht anders, lieben.

      
    „Dieser Wein ist wie ein Waldspaziergang!"
    Dies hat natürlich nichts mit einem profanen Waldspaziergang zu tun, Sie treten dabei nicht in Hundedung oder überholen stetig asthmakranke Rentner. Nein, dieser Wein eröffnet eine Welt, genauer: den Deutschen Wald. Den Wald, für den Greenpeace seit Jahrzehnten streitet, den Wald, den Sie in der Krombacher-Werbung von oben sehen, den Wald, in dem sich Hase und Igel höflich gute Nacht sagen - den Wald also, den wir schon längst in praktische Einbauschränke von Ikea verwandelt haben. Wenn ein Wein würzig duftet, nach irgendwelchen Kräutern, Sie aber auf Teufel komm raus nicht wissen, wonach der Wein nun genau riecht, dann haben Sie einen Wein, der wie ein Waldspaziergang duftet. Sie können bei dieser Gelegenheit natürlich noch persönliche Anekdoten einflechten und Ihr Publikum so zu Begeisterungsstürmen antreiben. Zum Beispiel: „Als ich vor drei Jahren des Abends in Anatolien lustwandelte und mich rücklings in eine kleine Lichtung mitten in einem unberührten Wald sinken ließ, die Schmetterlinge turtelten um meine Arme - da duftete es genau wie dieser Wein." Sie waren natürlich weder jemals in Anatolien

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