Weinzirl 03 - Kuhhandel
entsetzlich.
»Keine Ahnung. Es
werden viele Prozesstage kommen, ich werde aussagen müssen. Wir werden sehen.
Die wollen natürlich an die Köpfe der Doping-Mafia kommen. Ich bin da
skeptisch: Die ganz oben erwischst du nie!«
»Gerhard,
wahrscheinlich werde ich alt. Was ist das für eine Welt? Das hier ist das
Allgäu!« Jo hatte ihre Tasse mit einem Klack abgesetzt.
»Ja, du kleine
Träumerin, und auch das Allgäu hat Straßen, liegt sehr günstig zwischen
Österreich und der Schweiz, und der letzte Bergbauernhof hat Internet.
Erinnerst du dich daran, als diese Razzia im Drop In war? In den Achtzigern?
Als plötzlich das Licht angegangen war, alle sich auf den Boden setzen mussten
und Münchner Spezialeinheiten in Zivil einen Mafiaboss und mehrfachen Mörder
hochgenommen haben? Und das in der Deckung des kleinen, harmlosen Provinznests
Kempten. Jo, das war vor zwanzig Jahren schon kein Idyll hier!«
»Ja, du hast ja
Recht. Aber ich komm einfach nicht drüber weg, dass in dieser Geschichte jeder
jeden gelinkt hat! Ich sehe diese ganzen Leute wie auf einer Treppe stehen.
Jeder reckt seine Nase wie Killroy gerade bis über den nächsten Absatz. Und
dass dieser Seppi so ein perfides Spiel spielen würde. Und diese brennende
Alp!«
»Komm, das zumindest
müsste dir doch gefallen. Die Schumpa waren schon im Tal. Keine verbrannten
Tierkadaver, da freut sich doch die Tierschützerfront mit ihrer heroischen
Anführerin Jo.«
»Das ist makaber!
Fast wäre dein Kadaver verbrannt. Aber dieser Seppi, er hat, er ist, er …«
»Ja, glaubst du
denn, die Allgäuer sind alle per Geburt gut? Haben ein Gutmenschen-Gen? Es geit
söttige und söttene. Verklär es doch nicht, bloß weil der Senn war. Das ist
Heidiromantik. Er war kein Geißenpeter und Ostheimer kein Almöhi.«
»Aber wenn mir nicht
mal mehr die Heimat einen klaren Halt gibt!«
»Das kann sie doch
trotzdem tun. Sei realistisch: Bei uns gibt’s Dörfer, da solltest du deine
Ahnen bis ins Mittelalter zurückverfolgen können. Sonst bist du draußen. Du
weißt schon, da reicht schon die Tatsache, dass ein Ort diesseits, der andere
jenseits der Iller liegt.« Gerhard zuckte mit den Schultern.
»Ja, aber ich bin
von hier. Ich brauche meine Wurzeln.« Jo war nicht zu überzeugen.
»Darfst du ja auch
haben. Aber auch du gehörst in bestimmten Zirkeln nie dazu. Da kannst du in
alle Sportvereine eintreten und in den Schützenverein. Denk an die letzte
Feuerwehr-Abstimmung in Diepolz. Was war das für ein Akt, dass Frauen aufgenommen
werden. Es gab zwei Gegenstimmen, du weißt, von wem! Hättest du die beiden so
eingeschätzt? Und eine Klausel wollten sie, dass Frauen zwar Feuerwehrlerinnen
sein dürften, aber ein Passus in der Satzung stehen müsse: Beim Biertrinken
dürften sie nicht dabei sein. So ist das Allgäu auch!«
»Ja, das ist aber
doch eher so eine Männer-Frauen-Kiste. Männer brauchen halt ihre weiberfreien
Saufbiotope. Das versteh ich ja.«
»Ja, Jo, aber
fünfzig Prozent der Menschen, die hier leben, erreichst du dein Lebtag nicht.
Du bist a G’studierte, du verkehrst in deinen Zirkeln. Du bist unverheiratet,
lebst mit Tieren. Du hast keine Doppelhaushälfte und keine Kinder. Jo, du bist
eine Hexe.«
Jo musste lachen,
vor allem, als Bianchi ihr auf die Schulter sprang. Nun, zumindest war diese
Katze weiß!
»Jo, Mädel! Wo
bleibt meine Non-Konformistin? Anderssein tut nur weh, wenn man eine Gleiche
sein will.«
»Hast du ›meine‹
gesagt?«
»Wenn du’s so gehört
hast!«
Nachwort
»Es isch a richtige Viecherei«, sagen wir im Allgäu,
wenn etwas ziemlich anstrengend ist. Für Gerhard war das ein besonders schwerer
Fall – a Viecherei wegen all der Viecher und Viechdoktoren, die da involviert
waren. Und weil es in dem Buch so tierisch zur Sache geht, danke auch ich ganz
tierisch meinen Helfern:
Dr. Silvia Dimigen,
Viechdoktorin, die im fernen Kanada für mich in Sachen veterinärmedizinischer
Medikamente recherchiert hat. Dr. Katrin Kieser, ebenfalls für tierische Tipps,
und Jürgen Löhle für sein Wissen im Sportjournalismus und in Sachen Doping. Den
Finks, dass ich mir ihre Alp sozusagen »leihen« durfte. Museumsbauer Richard
Wiedemann für so manche gute Idee. Und in diesem viehischen Buch geht der Dank
natürlich an »dia Haitr, d Katza und d Katzaboala«.
Und noch ein Wort
zum Dialekt: Aufmerksame Leser
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