Weiß wie der Tod
könnten die Polizeiinspektionen, die damals gegen Landau ermittelten, noch etwas in ihrem eigenen Datenbestand haben«, gab Benguela zu bedenken.
»Das übernehme ich auch«, sagte Naima. »Er war in Berlin gemeldet. Ich kenne die Kollegen dort noch gut.«
Michaelis stimmte zu. »Wir sollten nochmals mit Marion Landau sprechen. Ich bin gespannt, wieso sie ihren Mann über den Tod hinaus deckt.«
»Hast du eine Vermutung?«, fragte Levy.
Sie zuckte mit den Schultern. »Nein, keine Ahnung. Ich frag mich immer wieder, wieso Frauen das tun. Es ist und bleibt mir ein Rätsel. Doch nun zu dir. Bring uns auf den Stand deiner Überlegungen.«
28
Wasch dich mal«, sagte Stephan, »du bist ja nicht mehr anzusehen. Widerlich.«
Jenny kauerte in der Ecke, die Knie fest ans Gesicht gepresst, um Stephan nicht durch einen unvorsichtigen Blick zu provozieren. Ihr Körper war mit blutigen Schrammen übersät, die Haare hingen ihr verklebt am Kopf.
»Los, mach schon. Dort ist das Waschbecken. Handtuch und Seife, alles da. Nicht, dass du dich noch über den Service beschwerst. Das macht ihr doch gern, wenn ihr in euren Nobelherbergen den Großkotz raushängen lasst. Dreihundert Euro für die Übernachtung löhnen und sich dann über die Handseife im Bad beschweren.«
Jenny rührte sich nicht.
Der Stock in seiner Hand kreiste um ihren Kopf. »Hast du nicht gehört?« Der Schlag traf sie auf den nackten Rücken.
Ein Wimmern. Zitternd mühte sie sich auf die Beine.
»Geht doch. Jetzt wollen wir das so machen, wie wir es gelernt haben. Was tun wir, bevor wir uns waschen?«
Sie hielt inne, wusste keine Antwort.
»Na?«
»Ich weiß nicht.«
Der Rohrstock klatschte auf ihren Hintern. »Wir machen Pipi.«
Er öffnete den Klodeckel und befahl ihr mit dem Stock, Platz zu nehmen. Zögernd kam sie der Aufforderung nach und setzte sich.
»Stopp, so geht das nicht. Ich will sehen, wie du das tust. Stell dich über den Topf. Und wag bloß nicht, zu behaupten, du könntest nicht.«
Sie begann zu schluchzen.
»Okay, ich will mal nicht so sein. Lass dir Zeit. Denk am besten gar nicht daran. Das klappt bei uns Männern immer. Wir stellen uns was ganz anderes vor. Zum Beispiel denke ich beim Pissen immer an den Bach in Lehringen – das ist ein Kaff in Franken. Auf dem Hof meines Onkels durfte ich früher meine Sommerferien verbringen. Mal was ganz anderes als die Stadt, ehrlich. Überall Natur, dass es nur so stinkt. Weit und breit, so weit das Auge reicht. Verdammte Scheißnatur. Bäume, Wiesen und Kuhmist. Mann, hat das gestunken. Aber man gewöhnt sich dran. Nach ein paar Tagen riecht man genauso.
Für einen Zwölfjährigen war das völlig okay. Hauptsache, von den Alten weg. Meine Tante Helga hat mich immer gefragt, was ich mir wünsche, wenn ich zu Besuch komme. Am Anfang hab ich mich mit ihrem Apfelkuchen vollgestopft, bis er mir aus den Ohren quoll. Aber dann, eines Tages, habe ich meine erste wahre Leidenschaft entdeckt. Ich hatte Glück, denn normalerweise findet die Hausschlachtung erst im Herbst statt. Doch in diesem Sommer war alles anders.
In aller Herrgottsfrühe kam Wilfried, der Metzger. Er war kein richtiger Metzger, so wie du ihn kennst. Wilfried machte nur die Hausschlachtungen auf den Höfen. In seinem blau-weiß gestreiften Kittel und mit seiner Instrumententasche auf dem Gepäckträger kam er auf ’nem Mofa angefahren. Im Mundwinkel eine halbgequalmte Reval – das war sein Markenzeichen. In der Wurst konntest du später die Asche noch schmecken, die ihm beim Zubereiten reingefallen war. Aber das störte nicht. Wilfried machte die beste Hausmacher im ganzen Land, vielleicht war das sein Geheimnis. Er ist vor ein paar Jahren gestorben, eine Sau soll ihm das Bein halb abgebissen haben. Ist das nicht Ironie pur? Wilfried hat so viele Schweine gekillt, wie er Haare auf dem Kopf hatte, und zum Schluss zahlt es ihm die eine heim – stellvertretend für alle anderen.
Aber egal. Was ich sagen will, ist, an diesem Morgen hatte ich meine erste Erektion. Nicht wegen Wilfried oder der Sau, komm bloß nicht auf falsche Gedanken, nein, wegen Wilma. Sie war fast doppelt so alt wie ich und gut entwickelt. Mächtige Dinger und ein Becken für ein Dutzend kleiner Wilhelms. Sie kam vom Nachbarhof, um uns zu helfen.
Ihr Job war das Klöppern. Nicht das Klöppeln von Spitzen, sondern das Klöppern von Blut. So nannte man das dort, wenn die Sau in den Eimer ausblutete und man mit einem Löffel das Blut in einem fort rühren
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