Weiße Nächte, weites Land
scheinbar zufällige Berührung sein Feuer immer wieder aufs Neue zu entfachen. Vielleicht aber, und diesen Gedanken spann Johann Röhrich lieber nicht weiter, lag es auch daran, dass sie ihm zu einer Zeit in die Hände gefallen war, in der er sich dem Tod näher fühlte als dem Leben. Er war siebenundvierzig Jahre alt, und der Kriegsdienst sowie die Hungerwinter hatten ihre Spuren hinterlassen.
»Was … stapfst du hin und her?«
Johann fuhr herum und starrte zu dem langen Esstisch, an dem soeben noch seine Frau Marliese, den Kopf auf den Unterarm gebettet, geschnarcht hatte. Nun richtete sie sich auf, wischte sich mit dem Ärmel über das feuchte Kinn und versuchte, ihren Oberkörper im Gleichgewicht zu halten, während sie ihren Mann lallend ansprach.
»Geh ins Bett!«, erwiderte er mühsam beherrscht. »Schlaf deinen Rausch aus, alte Vettel.« Er presste die Fäuste zusammen, dass die Haut sich spannte. Ihn juckte es in den Händen, der Alten mit ein paar Schlägen das Maul zu stopfen. Wie sie ihn anekelte. Wie sie sich an dem Tisch breitmachte, auf dem er im Geiste bereits die gespreizten Schenkel unter den hochgeschobenen Röcken seiner Nichte gesehen hatte.
Von Jähzorn gepackt, sprang er auf seine Frau zu, zerrte sie an den Schultern hoch. »Pack dich, du Schlampe! Ich will dich hier nicht mehr sehen.«
»Ich … will hier sein. Gib mir noch Branntwein!«
Johanns Kopf ruckte herum, bis sein Blick auf den halbvollen Becher fiel. Er nahm ihn und setzte ihn seiner Frau an die Lippen, schüttete und schüttete, obwohl sie zu husten begann und der scharfe Schnaps ihre Mundwinkel und ihren Hals hinablief. Sie japste und röchelte, doch er ließ sie erst los, als der letzte Tropfen vergossen war.
»So, hast du nun genug?« Er drehte sie herum, führte sie mit eisenhartem Griff in die angrenzende Kammer, gab ihr einen Stoß, so dass sie vor dem Bett zusammenbrach. Dann warf er die Tür zu.
Er atmete schwer, als er in die Wohnstube zurückkehrte.
Wo blieb Christina nur, verdammt. Marliese jedenfalls würde ihn in der nächsten Stunde nicht stören, seinen Sohn Bernhard wusste er in der Werkstatt, die er nicht vor den Abendstunden schließen würde. Seine dreizehnjährige Tochter Helmine verdingte sich als Helferin bei den Waschfrauen am Dorfbrunnen.
An seinen Sohn Alfons verschwendete Johann keinen Gedanken – er war von Geburt an schwachsinnig und verbrachte den größten Teil seiner Zeit brabbelnd im Bett, wo er zusammengekrümmt wie ein Säugling lag und seine Finger betrachtete oder beleckte.
Was hätte Johann darum gegeben, wenn ihm seine verlotterte Frau und der Schwachkopf weggestorben wären, bevor er in sein neues Leben aufbrach. Wie Eitergeschwüre hingen ihm die beiden am Bein. Johann hegte die Hoffnung, dass die wochenlange Reise nach Russland über ihre Kräfte gehen würde, und malte sich in beglückenden Träumen aus, wie die erkalteten Körper seiner Frau und seines Sohnes über die Reling des Schiffes, das sie von Lübeck nach Kronstadt bringen würde, gehievt wurden und auf den Grund der Ostsee sanken.
Endlich ging die Tür auf. Beleuchtet vom trüben Licht der Februarsonne, stand sie vor ihm wie ein Engel, in der Hand die blecherne Milchkanne, im Gesicht dieses Lächeln, das mehr Einladung als Gruß war.
Er trat auf sie zu und riss sie in die Arme, um sie atemlos zu küssen. Seine Bartstoppeln kratzten über ihre Samthaut. Gleichzeitig nestelte er mit der Rechten an ihrem Mieder, gierig darauf, endlich das zarte Fleisch zu kneten. Scheppernd ging die Milchkanne zu Boden.
Christina stemmte sich mit den Fäusten gegen die Brust des Onkels. Dann löste sie eine Hand, ließ sie tiefer gleiten und umfasste durch den Stoff der Beinlinge sein angeschwollenes Glied, während sie ihn triumphierend anschaute.
Johann stöhnte auf und legte den Kopf in den Nacken, als er ihre Finger spürte, die so feingliedrig waren und doch so fest zugreifen konnten. Der eben noch erlebte Jähzorn heizte seine Triebe an wie Öl das Feuer. Er war wie von Sinnen vor Begierde, und dieses Luder spielte mit ihm.
»Ich sehe, du hast auf mich gewartet.« Christina lachte auf.
»Komm rein, ich besorg’s dir hier gleich auf dem Tisch«, keuchte er. »Dir wird das Lachen schon vergehen, du Miststück.«
»Wo ist Tante Marliese?«
»In der Schlafkammer. Die wird uns nicht stören, die Alte. Sturzbesoffen ist sie mal wieder.«
»Wenn sie aufwacht?«
»Wird sie nicht. Komm schon …« Wieder wollte er sie
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