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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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bin ich im Lügen und Mogeln besonders gut.
    Wie gesagt, ich habe jede Menge verbrochen.
    Noch immer in die Decke des Feuerwehrmannes gehüllt, tappe ich barfuß über den sonnenbeschienenen Hof und hoch in mein Zimmer. Sam Yu, mein Mitbewohner, schlingt gerade eine schmale Krawatte um den Kragen eines zerknitterten Hemdes. Erstaunt schaut er hoch.
    » Mir geht’s gut « , sagte ich erschöpft. » Falls du mich das fragen wolltest. «
    Sam steht auf Horrorfilme, gleichzeitig ist er ein Hardcore-Naturwissenschaftler. Er hat unser Zimmer mit glupschäugigen Alienmasken und blutbespritzten Postern tapeziert. Seine Eltern wollen, dass er auf die Technische Hochschule geht und danach zu einem gut positionierten Pharmaunternehmen. Er selber möchte zum Film, Abteilung Spezialeffekte. Obwohl er aussieht wie ein Bär undvon Theaterblut besessen ist, hat er seinen Standpunkt bisher nicht einmal so weit klargemacht, dass seine Eltern gemerkt hätten, dass sie sich mit ihrem Sohn nicht einig sind. Ich möchte gerne glauben, dass wir Freunde sind.
    Wir hängen nicht oft mit denselben Leuten rum, aber das macht die Sache mit der Freundschaft einfacher.
    » Ich wollte nicht… was immer du denkst, was ich vorhatte… « , erkläre ich. » Ich will nicht sterben oder so. «
    Sam lächelt und zieht seine Wallingford-Handschuhe an. » Ich wollte eigentlich nur sagen: Gut, dass du nicht nackt schläfst! «
    Ich werfe mich schnaubend auf mein Bett. Das Gestell protestiert quietschend. Neben meinem Kopf liegt ein neuer Briefumschlag mit einem Code, der bedeutet, dass ein Neuntklässler fünfzig Dollar auf den Sieg Victoria Quaronis bei der Talentshow setzt. Die Quote ist astronomisch hoch, aber da fällt mir ein, dass irgendwer in meiner Abwesenheit die Bücher führen und die Leute auszahlen muss.
    Sam versetzt dem Fußende einen leichten Tritt. » Geht’s dir wirklich gut? «
    Ich nicke. Ich weiß, ich sollte ihm sagen, dass ich nach Hause fahre und er dann zu den Glücklichen gehört, die ein eigenes Zimmer haben, aber ich will das fragile Gefühl von Normalität nicht zerstören. » Bin nur müde. «
    Sam nimmt seinen Rucksack. » Bis gleich, du armer Irrer. «
    Ich hebe zum Abschied meine verbundene Hand, aber dann halte ich ihn auf. » Hey, Moment mal. «
    Er hat die Hand schon auf der Klinke, als er sich umdreht.
    » Also… falls ich wegmuss. Meinst du, die Leute könnten weiter ihr Geld hier deponieren? « Es fällt mir schwer, ihn das zu fragen, weil ich mich in seine Schuld begebe und damit gleichzeitig meinen Rauswurf zur Wirklichkeit erkläre. Trotzdem bin ich nicht bereit, die einzige Sache aufzugeben, die in Wallingford gut für mich läuft.
    Er zögert.
    » Vergiss es « , sage ich. » Ich habe nichts–«
    Er unterbricht mich. » Bekomme ich Prozente? «
    » Fünfundzwanzig « , antworte ich. » Fünfundzwanzig Prozent. Aber dafür erwarte ich mehr als nur das Geldeinsammeln. «
    Er nickt bedächtig. » Gut, einverstanden. «
    Ich muss grinsen. » Du bist der vertrauenswürdigste Typ, den ich kenne. «
    » Mit Schmeichelei kommst du überallhin « , sagt Sam. » Nur nicht vom Dach, wie man sieht. «
    » Danke « , stöhne ich. Ich hieve mich vom Bett und hole eine kratzige Schuluniformhose aus dem Schrank.
    » Und warum solltest du wegmüssen? Die werfen dich doch nicht etwa raus, oder? «
    Während ich die Hose anziehe, wende ich mich ab, aber meine Stimme verrät, wie unwohl ich mich fühle. » Nein. Keine Ahnung. Komm, ich erkläre dir, wie es funktioniert. «
    Er nickt. » Okay. Was muss ich machen? «
    » Ich gebe dir mein Notizbuch mit allen Wetten, Einsätzen und Quoten, und du schreibst einfach rein, welche Wetten du annimmst. « Ich richte mich auf, ziehe meinen Schreibtischstuhl an den Schrank heran und steige schnell auf den Sitz. » Hier. « Meine Finger schließen sich um das Notizbuch, das ich über die Schranktür geklebt habe. Ich reiße es ab. Da oben klebt noch eins aus dem letzten Jahr, als die Geschäfte allmählich so gut liefen, dass ich mich nicht länger auf mein passables, aber eben nicht fotografisches Gedächtnis verlassen konnte.
    Sam lächelt leise. Er staunt, weil er mein Versteck bisher nicht entdeckt hat. » Ich denke, das kriege ich hin. «
    Er blättert in den Seiten, auf denen ich alle Wetten mitsamt Quoten aufgelistet habe, die ich seit Anfang meiner Schulzeit in Wallingford angenommen habe. Darin wird darauf gewettet, ob die Maus, die durch Stanton House vagabundiert, von Kevin

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