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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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schritten gemächlich auf die Vortreppe zu. Camille trug einen französischen Jagdanzug aus braunem Tuch und die dazu passenden Ledergamaschen, Captain Philps dagegen war mit feinem beigefarbenem Gabardine angetan.
    »Gestatten Sie, daß ich bei Lady Makinson anfrage, ob sie Sie empfangen kann …«
    Philps eilte ins Haus, Camille murmelte:
    »Wir mußten sie notgedrungen in Ihrem Zimmer einquartieren …«
    Das weitläufige, viereckige Gebäude war mit roten Ziegeln gedeckt. Das Dach war weit vorgezogen, so daß das ganze Haus von einer Veranda umgeben war. Die Innenwände aus naturfarbenem Backstein waren kahl, bis auf die aufgehängten Gewehre.
    »Hatten Sie eine angenehme Reise, Chef?« seufzte Camille, den dieser seltsame Empfang sehr verdroß.
    »Sehr angenehm.«
    Graux lächelte, denn er vernahm ein leises Rascheln hinter dem Haus. Als er sich schnell umwandte, gewahrte er einen Augenblick lang den Zipfel eines weißen Kleides mit blauen Punkten.
    Das war Baligi, seine Haushälterin, die es nicht wagte, ihn zu begrüßen.
    »Haben Sie’s gesehen?«
    Aber natürlich! Graux hatte alles gesehen! Vor dem Haus fiel das Gelände sanft bis zum Fluß ab. Auf dem Hügel am anderen Ufer dehnte sich die Kaffeepflanzung, so weit das Auge reichte. Hie und da unterbrach ein Baum die monotonen Reihen der Sträucher, doch an einer Stelle ragte etwas in den Himmel, das kein Baum war, nämlich das Ruderwerk eines Flugzeugs.
    »Ich dachte, sie seien tot … Ich war gerade dabei, den Motor zu überholen, als es passierte …«
    Captain Philps hielt sich immer noch im Zimmer auf, das Lady Makinson bewohnte. Ferdinand wartete. In der Nähe der Maschine waren etwa zwanzig Schwarze an der Arbeit. Fragend blickte er seinen Verwalter an.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Richtige getan habe«, sagte Camille. »Kaum hatten wir sie hierhergebracht (durch einen Blick auf die Tür gab er zu verstehen, wen er meinte), da verlangte sie, wir sollten alles aufbieten, um die Maschine freizuschaufeln. Der Captain, der nur ein paar Schrammen davongetragen hat, ist dorthin zurückgelaufen. Er will, daß wir eine Straße bis hierher bauen, denn das sei die einzige Stelle, von der aus das Flugzeug nach der Reparatur starten könne. Ich habe eingewendet, daß man dann mindestens dreihundert fünfjährige Kaffeesträucher vernichten müsse …«
    Endlich öffnete sich die Tür. Philps verbeugte sich auf seine unnachahmliche Art:
    »Lady Makinson würde sich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen und sich bei Ihnen zu bedanken …«
    Camille blieb draußen. Graux mußte erst nach dem Bett Ausschau halten, denn man hatte es umgestellt, zudem hingen nun Vorhänge an den Fenstern, die das Licht dämpften.
    »Treten Sie ein, Monsieur Graux!«
    Lady Makinson sprach akzentfreies Französisch. Sie saß aufrecht im Bett, rauchte eine Zigarette. Neben ihr lag ein Buch, das auch Ferdinand kannte: Kapitän Scotts Reisen.
    »Es überrascht Sie wohl einigermaßen, fremde Leute in Ihrem Haus vorzufinden, nicht wahr? Buddy, reichen Sie mir Ihre Zigaretten herüber …«
    »Sie wissen doch, daß es die letzten sind?«
    »Ich hoffe, Monsieur Graux hat einen ganzen Vorrat von Zigaretten mitgebracht!«
    »Ich bin Nichtraucher«, erwiderte er verlegen.
    »Haben Sie das gehört, Buddy? Wer hatte in Kairo mal wieder recht? Ich wollte einige tausend Zigaretten mitnehmen …«
    »Wo hätten wir die untergebracht?«
    »Sie hätten halt auf ein Gewehr oder einen Anzug verzichten müssen … Jetzt aber Spaß beiseite … Nehmen Sie Platz, Monsieur Graux! … Ich kann es nicht ausstehen, daß die Leute vor mir stehen, wenn ich mit ihnen zu reden habe … Ihr Verwalter hat einen Läufer nach Niangara geschickt … Glauben Sie, daß er schon dort eingetroffen ist?«
    »Wenn der Läufer vorgestern aufgebrochen ist, hat er Niangara heute morgen erreicht.«
    »Es wurde also im Radio durchgegeben, daß wir mit dem Leben davongekommen sind?«
    »Ich nehme an, daß man in Niangara nach Stanleyville telefoniert hat, wo es eine Sendestation gibt.«
    Sie wandte sich zu Philps und sagte auf englisch:
    »Wenn nur James sich noch nicht eingeschifft hat …«
    Sie ließ Graux nicht lange im unklaren: »Mein Mann ist Militärattaché bei der englischen Botschaft in Ankara. Zu dieser Jahreszeit aber wohnt er in Istanbul, wo auch meine Kinder leben. Buddy, geben Sie mir Feuer … Und setzen Sie sich! … Wenn ich selber liegen muß, kann ich es nicht leiden, Sie so groß vor mir zu sehen

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