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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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von dem Weißen machen, auf weniger schmeichelhafte Art aus.
    Graux aber kannte seinen geheimen, übrigens schwer übersetzbaren Spitznamen, der in etwa bedeutete: der Weiße, der nur dann ein Mann ist, wenn er seine Brille trägt …
    Was das betraf … Von Zeit zu Zeit nahm er seine Brille rasch ab, um sie zu putzen, und es war erstaunlich, wie anders sein Gesicht dann wirkte.
    Mit einem Male sah er so alt aus, wie er wirklich war, nämlich achtundzwanzig. Seine ruhige Sicherheit, sein Selbstvertrauen schienen plötzlich dahinzuschmelzen. Vielleicht hätte Yette in seinem Gesicht auch Spuren von Wesenszügen entdeckt, die ihren Mann kennzeichneten: Schüchternheit oder gar Unterwürfigkeit.
    Um fünf Uhr nachmittags erreichten sie endlich Juba. Es war ein Posten wie jeder andere, mit Bungalows, deren Dächer mit roten oder grauen Ziegeln gedeckt waren, mit halbnackten Schwarzen und englischen Offizieren in khakifarbenen Uniformen …
    Die Reisegesellschaft ging hier auseinander, und Graux drückte dem alten Herrn die Hand, obwohl er mit ihm keine zehn Sätze gesprochen hatte.
    »Wurde die Fliegerin aufgefunden?«
    » No! «
    Die Bodets wirkten völlig hilflos. Sie kamen nicht mit ihrem Gepäck zurecht, sie wußten nicht, an wen sie sich wenden, wie sie weiterkommen sollten.
    Georges Bodet war noch nie in Ostafrika gewesen, außerdem war dies seine erste Flugreise. Sie hatten nur kleine Koffer bei sich, das übrige Gepäck sollte per Schiff nachkommen, so daß sie zwei Monate lang ihre Kleider nicht würden wechseln können.
    Noch immer irrten sie durch Juba und diskutierten ihre Finanzen, als neben ihnen ein Torpedo hielt. Graux saß am Steuer.
    »Soll ich Sie bis zur Grenze nach Belgisch-Kongo mitnehmen? Bei Anbruch der Nacht könnten wir dort sein …«
    Yette bestand darauf, vorne neben Ferdinand zu sitzen. Verärgert zwängte sich Georges auf den Rücksitz zwischen die Koffer. Die Straße war in gutem Zustand. Alle halbe Stunden fuhren sie durch ein Negerdorf, wo Yette endlich kaum bekleidete Eingeborene zu sehen bekam.
    »Es kommt hie und da vor«, erklärte Ferdinand, »daß plötzlich ein Löwe im Scheinwerferlicht erscheint und wie festgebannt stehenbleibt.«
    »Ist das nicht gefährlich?«
    »Er geht dann schon zur Seite … Manchmal läuft er auch vor dem Auto her …«
    Endlich erreichten sie Bodi. Er lenkte den Wagen in einen Park, hielt vor einem großzügig angelegten Bungalow-Komplex, der als Hotel eingerichtet war. Sie hatten einen Grenzstein gerammt, doch Ferdinand sagte energisch:
    »Um die Formalitäten kümmern wir uns morgen …«
    Hier war es viel gemütlicher als bei den Engländern. Der Wirt, ein kleiner Mann mit graumeliertem Haar, nannte Graux bei seinem Vornamen, erzählte ihm von seinen Elefanten, vom Kaffee, von gemeinsamen Bekannten. Georges Bodet war glücklich, hier belgischen Tabak und belgisches Bier vorzufinden.
    Als sie schlafen gingen, mußte Graux die Bodets beruhigen:
    »Ich kann Sie nicht mitnehmen, weil ich nicht in Ihre Richtung fahre. Aber am Mittwoch kommt der Autobus nach Niangara hier durch. Er fährt nur einmal in der Woche.«
    »Wann werden wir Sie wiedersehen?«
    »Vielleicht in acht Tagen, vielleicht in einem Jahr …«
    Ferdinand schlief in einem kleinen Bungalow, die Bodets in dem nebenan. Als er um sechs Uhr morgens aufbrach, vermeinte er, hinter dem Fliegengitter der Bodets eine Gestalt zu gewahren.
    Von nun an fühlte er sich zu Hause. Die Häuptlinge grüßten ihn, wenn er durch die Negerdörfer kam. Im dritten Dorf hielt ihn einer an und berichtete ihm auf Bengala, daß eine fliegende Maschine in seiner Plantage abgestürzt sei.
    Es handelte sich um Lady Makinsons Flugzeug.
    Trotz ihrer Telegrafen und ihrer Radios war die Nachricht noch nicht zu den Weißen gedrungen, während man dank des Tamtams in allen Eingeborenendörfern auf dem laufenden war.
    Graux führte in seinem Wagen Salzblöcke mit, die er an die Schwarzen verteilte, so wie man Kindern Bonbons schenkt.
    Er war zu Hause, wirklich zu Hause, nicht einfach in Afrika, sondern in seinem Afrika! Sein Afrika hatte nichts gemein mit den Wüstenlandschaften, die von der Imperial Airways überflogen wurden, hier gab es keine auf Hochglanz gebohnerten Hotels, die eher Sanatorien glichen.
    Gleich einem Dorfbewohner, der nach einer langen Reise in seine Heimat zurückkehrt, erkannte er die Menschen, die auf der Straße unterwegs waren, hielt er an, um ein Kind zu streicheln, das er einstmals ärztlich

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