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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Er war nicht weit gekommen, vielleicht drei oder vier Schritt. Der Nikolaus stand nun dort, wo er den Pfad verlassen hatte. Zitternd wich der Engel weiter zurück, glitt diesmal auf einer überfrorenen Wurzel aus und stürzte abermals in die kalte Pracht. Der Unheimliche grunzte. Schon trat er aus dem Lichtschein des Wagens und bahnte sich einen Weg durch das Unterholz. »Hast denn das Säcklein auch bei dir?«
    Verzweifelt griff der Engel nach einem Zweig, versuchte sich erfolglos daran hochzuziehen und krabbelte schließlich rücklings von seinem Peiniger fort. Der Nikolaus hob die Linke, und der Engel sah, dass die Finger einen großen Jutesack umklammert hielten.
    »Ich sprach: Das Säcklein, das ist hier. Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern, fressen fromme Kinder gern. «
    Der Engel stieß mit dem Kopf gegen einen Stamm und blieb nun endgültig wie ein auf dem Rücken liegender Käfer liegen, die Augen starr vor Entsetzen auf das bärtige Antlitz seines Verfolgers gerichtet. Der Bart war nicht echt, das erkannte er jetzt.
    . »Bitte, tun Sie mir nichts!«, schluchzte er. Längst hatte sich die korpulente Gestalt vor ihm aufgebaut und starrte kalt und unerbittlich auf ihn herab. Abermals schlugen dem Engel die Zeilen dieses unheimlichen Gedichts entgegen.
    »Hast denn die Rute auch bei dir?« Die Lippen des Finsteren kräuselten sich spöttisch, als er einen Gegenstand mit langer Nadel zückte, aus der eine Flüssigkeit spritzte. »Ich sprach: Die Rute, die ist hier!« Der Engel schrie verzweifelt auf, aber ein schwerer Schlag ins Gesicht setzte dem Laut ein jähes Ende. »Doch für die Kinder nur, die schlechten; die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
    Die Gestalt packte den Engel schnaufend und warf ihn auf den Bauch. Ein scharfer Schmerz entflammte sein Gesäß, als die spitze Nadel tief in sein Fleisch stach. Verzweifelt schlug der Engel um sich und strampelte mit den Beinen, doch der Nikolaus hielt ihn im Nacken gepackt und drückte das blutende Gesicht des Engels mit aller Kraft in den weißen Untergrund.
    »Christkindlein sprach, so ist es recht«, ächzte sein Peiniger angestrengt. Es dauerte eine Weile, bis er dem Engel das Metall wieder aus dem Leib zog. »So geh denn mit Gott, mein treuer Knecht!«
    Endlich ließ er den Engel los. Der hustete, spuckte Schnee und kaute auf geronnenem Blut. Sein Gesäß brannte wie Feuer, während sich eine kalte Flüssigkeit in seinem Körper ausbreitete. Die Luft schmeckte jetzt nach Eisen, und eine schreckliche Müdigkeit bemächtigte sich seiner.
    »Wer … sind Sie?«, lallte der Engel. Seine Glieder fühlten sich nun so taub an, als wären sie in der Kälte erfroren.
    »Teufel, bringen sie euch in der Schule nichts mehr bei?« Abfällig spuckte der Maskierte in den Schnee und beugte sich dicht über das Gesicht des Engels, sodass dieser den säuerlichen Atem des Fremden riechen konnte. »Von drauß’ vom Walde komm ich her. Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. Nun sprecht, wie ich ’ s hierinnen find! Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind? – Na, klingelt’s jetzt? Das ist von Theodor Storm. Und ich – ich bin der Knecht Ruprecht.« Er betrachtete den Engel, der bleich, betäubt und mit gebrochenen Flügeln vor ihm auf dem Schnee lag.
    »Vielleicht kennst du mich ja auch unter dem Namen Krampus? Du weißt schon, der mit den Ketten.« Die Gestalt lachte, als habe sie einen Scherz gemacht. Ohne Eile stülpte sie dem Engel den Sack über den Kopf. Finsternis hüllte den himmlischen Boten ein. »Na gut«, tönte es von außerhalb, »vielleicht bin ich nicht der echte Knecht Ruprecht. Aber den wirst du schon bald kennenlernen. Weißt du, wie man ihn auch nennt?« Der Fremde wuchtete den Sack mühsam über die Schulter und trug den Engel durch das knackende Unterholz zurück zum Hohlweg. »Man nennt ihn den Kinderfresser. Und du wirst schon bald erfahren, warum …«

Kapitel 1
    Incipit!
    (Es beginnt!)

»Aufgewacht, liebe Leute! Es ist Punkt 6.10 Uhr am Morgen, und für die meisten im Sendegebiet heißt es nun wieder ›Aufstehen‹! Gern würde ich euch den Tag mit der Nachricht versüßen, dass die Sonne lacht und auf uns alle ein heißer Tag am Baggersee wartet, wo es ebenso heiße Badenixen nur darauf abgesehen haben, uns mit gegrillten Haxen und zünftigem Weißbier zu verwöhnen. Doch leider sieht die triste Wirklichkeit anders aus. Draußen ist es noch immer rappelzappel finster, und wäre nicht das dicke Glas hier im Studio, dann könntet ihr

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