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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Sofort wurden sie von den Jungen bedrängt.
    Was ist passiert?
    Ist da oben wirklich jemand gestorben?
    Jemand aus der Schule?
    Hast du etwas gesehen?
    Andrew versuchte, sich einen Weg zu bahnen. Sie umringten ihn, bombardierten ihn mit Fragen, einige fassten nach ihm. Der Regen wurde stärker, benetzte sein Gesicht und tropfte ihm von den Wangen. Ein Lehrer eilte an seine Seite. Lasst ihn durch, bitte, Jungs. Kommt schon, bitte . Der Lehrer führte ihn zusammen mit Matron durch die Menge. Er erkundigte sich, ob es Andrew gutgehe und in welchem Haus er wohne. Die erste Frage beantwortete Andrew unaufrichtig mit Ja, die zweite übernahm Matron: Lot. Andrew bekam von seiner Umgebung kaum etwas mit, er sah nur die Schöße des Gehrocks, das aschfahle Gesicht und diese blauen Augen vor sich, und das grausige Husten dröhnte ihm in den Ohren.
    »So was hatten wir noch nie«, murmelte Matron halb betrübt, halb verärgert.
    Sie zog Andrew behutsam die nassen Klamotten aus und ermahnte ihn, sich hinzulegen. dann deckte sie ihn zu. Die ganze Zeit redete sie vor sich hin.
    »In fünfzehn Jahren.« Sie schüttelte den Kopf. »Und, oh, was werden die armen Eltern sagen? Man kann sich gar nicht vorstellen, einen solchen Anruf zu erhalten. Da muss man sich doch wünschen, man selbst wäre tot. Ich hoffe, sie haben noch andere Kinder. Oh, die haben sie – Theo hat Geschwister. Trotzdem wird es ihnen das Herz brechen, aber es ist gut, dass sie noch weitere Kinder haben.« Dann verwandelte sie fast ärgerlich die frischen Informationen zu Gerüchten und Klatsch: »Gott allein weiß, wasihm widerfahren ist. Für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall war er zu jung. Gesunde Jugendliche fallen nicht einfach tot um.«
    Andrew setzte sich im Bett auf. Er wollte ihr alles erklären, verständlich machen. »Matron, ich habe gesehen …«
    Sie sah ihn an und wartete auf das Ende des Satzes.
    Ich habe einen Mord beobachtet!, hätte er am liebsten herausgeschrien. Ich habe gesehen, wie jemand in einem altmodischen Gehrock Theo erwürgt hat.
    Ja … und dann?
    Das war die Frage, die er sich selbst immer wieder gestellt hatte, seit er den Hügel hinuntergetaumelt war und um Hilfe geschrien hatte. Er hatte ungefähr fünf Minuten dagestanden, ehe ihm bewusst geworden war, dass der Mörder nicht mehr da war. Dabei war er nicht weggelaufen, sondern einfach verschwunden. Das Dickicht rechts und links des Tatorts hatte eine lautlose Flucht unmöglich gemacht, und Andrew hätte es sehen müssen, wenn der hagere Junge in die andere Richtung gerannt wäre. Aber Andrew war so schockiert gewesen – schockiert oder war es etwas anderes: eine Art Ohnmacht, eine Kapitulation an die bedrückende Atmosphäre? Dass er das Verschwinden des Angreifers nicht wahrgenommen hatte? An einem so düsteren Ort erschien es nur natürlich, dass sich die hustende, dürre Gestalt plötzlich in Luft aufgelöst hatte.
    Und dann ist er verschwunden, Matron.
    Andrews Mund blieb offen stehen.
    Wenn du das aussprichst , machte er sich klar, wird sie dich für verrückt erklären. Sie wird mit anderen darüber sprechen. Dann bekommst du all die Aufmerksamkeit, die du nicht haben willst. Überleg nur mal, was St. John Tooleyund Vaz daraus machen. Sie würden dich in der Luft zerfetzen. Dich als Psycho, als Freak brandmarken.
    Zum Glück für Andrew nutzte Matron die Gelegenheit, um, was selten genug vorkam, ihr Mitgefühl zu zeigen.
    »Ich weiß. Du hast deinen Freund tot gesehen. Armer Theo. Ausgerechnet er.« Im nächsten Moment fiel Matrons Blick auf Andrew, und ihr schien wieder einzufallen, dass sie mit diesem grässlichen Amerikaner redete. Andrew erkannte, dass es ihr viel lieber wäre, wenn er statt des fröhlichen, charmanten Theo tot auf dem Church Hill Weg gelegen hätte. »Du hast einen Schock«, stellte sie fest. »Bleib liegen und ruh dich aus. Ich kann nicht den ganzen Tag bei dir sitzen. Der Hausvater und alle anderen müssen informiert werden. Genau wie der Rektor. Und die Eltern. Aber das ist Gott sei Dank nicht meine Aufgabe.«
    Ohne einen Blick zurück rauschte sie hinaus.
    Er stützte sich auf einen Ellbogen und spähte hinaus. Der Regen platschte auf die Blätter der Platane vor seinem Fenster.
    Andrew ließ sich zurückfallen. Wenigstens hatte er es warm, war trocken und allein, dennoch überlief ihn als späte Reaktion auf die traumatische Erfahrung ein Schauer von den Schultern bis zu den Zehen. Er zog die Decke fester um sich und begann eine

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