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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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nur noch Husten. Die Temperaturen sanken, Kälte machte sich breit. Wie aus Solidarität mit ihrem toten Freund wurden die Jungs krank, husteten in den Nächten und steckten sich gegenseitig mit Fieber an. Die älteren murrten, als das Rugby-Training abgesagt wurde. Wir haben offenbar nichts anderes zu tun, als herumzusitzen und an Theo zu denken, maulte Roddy und sprach damit aus, was viele fühlten: g ezwungen zur verdammten Trauer . Der Tag der Gedenkfeier für Theo – zelebriert von Father Peter in der Kapelle – war der düsterste von allen: Stahlgraue Wolken hingen tief am Himmel, und es goss in Strömen. Den vielen Rednern gelang es zeitweise, mit Charmeund Rhetorik die Stimmung ein wenig aufzuhellen, was das Schluchzen der Kleineren wieder zunichtemachte. Draußen erwartete sie der unerbittliche Wolkenbruch, und sie waren auf dem Weg zum Speisesaal gezwungen, unwürdig über Pfützen zu hüpfen. Und im Lot hielt der Junge mit der affektiertesten Aussprache, ein Fünftklässler mit Namen Clegg-Bowra (dem, wie es hieß, Anteile an einem Formel-1-Team gehörten und der nichts, weder Sport noch Unterricht, ernst nahm), Hof und klatschte wie eine Waschfrau. Auf dieser Schule liegt ein Fluch, erklärte er näselnd. In der Geschichte von Harrow hat es noch nie derart geregnet wie zurzeit. Wenn das so weitergeht, wird es auch am Speech Day regnen, und wir hocken niesend und schniefend mit unseren Eltern zusammen. Die Leute werden krank. Theo Ryder war nur das erste Opfer. Ich persönlich finde, sie sollten die Schule schließen, fuhr er fort. Und was ist das für eine Kommunikation? Kein Mensch sagt uns, was Theo getötet hat. Es könnte ja auch ein Mord gewesen sein, und da draußen läuft ein Psychopath herum und liegt im Friedhof auf der Lauer, um noch weitere Harrowianer zu erwürgen. Sie hassen uns, die Kevins, sagte er. Kevins – das war ein in irischem Genuschel ausgesprochener Schulausdruck für die Ortsansässigen. Wegen der Kälte war die Heizung eingeschaltet, und die Rohre klickten und zischten. Niemand konnte die Feuchtigkeit aus den Schuhen vertreiben. Der Filzbelag des Billardtisches wellte sich.
    Bisher hatte es keine offiziellen Erklärungen für Theos Tod gegeben. Am Schwarzen Brett im Lot hing nur eine knappe, vom stellvertretenden Hausvater Macrae unterschriebene Aufforderung, dass alle Schüler ihre Arbeit weitermachen sollten, während der Coroner die seine tat, und sich jeder, der mit einem Therapeuten sprechen wollte,an Mr. Macrae, Matron oder Father Peter wenden sollte. Es fiel auf, dass Piers Fawkes auf dieser Liste fehlte und sich sonst auch nicht blicken ließ; Matron deutete an, dass er damit beschäftigt war, mit Theos Familie, die in Südafrika lebte, dem Coroner und der Polizei Arrangements zu treffen. Macrae schien das Rampenlicht zu genießen, Andrew hatte den Eindruck, dass der Stellvertreter Fawkes’ Abwesenheit nutzte, um sich bei den Schülern einzuschmeicheln. Insbesondere bei den älteren, einflussreicheren – St. John, Vaz und ihrem Gefolge. Sie trafen sich, wie durch das Fenster der Stellvertreterwohnung beobachtet werden konnte, zum Tee und zu Männergesprächen in Macraes Küche. Einmal ging Andrew auf dem Weg zu Mr. Montagues Kurs an diesem Fenster vorbei, und alle Gesichter drehten sich zu ihm. Vaz, St. John und Macrae, der in seinem hochlehnigen schwarzen Stuhl einen selbstgefälligen Eindruck machte und gleichzeitig ein schlechtes Gewissen zu haben schien, als wäre er der Herzog, der den König vom Thron stürzen wollte. Für einen Moment herrschte knisternde Spannung. Andrew mutmaßte, dass sie über ihn geredet hatten. Er ging weiter und zog den Kopf wegen des Regens ein.
    Er drückte sich vor Zusammenkünften jedweder Art, vermied den Gemeinschaftsraum und sehr oft auch den Speisesaal, aus Angst, das Getuschel könnte wieder anfangen: Da ist der Amerikaner, der Theo gefunden hat, oder Fragen würden auf ihn niederprasseln. Hast du gesehen, was ihn umgebracht hat? War da irgendwo Blut? Nach dem Unterricht ging Andrew schnurstracks in sein Zimmer, ließ sogar die Mahlzeiten ausfallen und ernährte sich von einer Handvoll Plätzchen, die Matron in einem Weidenkörbchen für die Jungs im Billardzimmer bereitstellte.Meistens saß er im Schneidersitz auf seinem Bett und verteilte Krümel auf der kratzigen Wolldecke. Ihm war bewusst, dass er mit jemandem über seine Beobachtungen reden sollte, so verrückt sie auch gewesen sein mochten. Vielleicht konnte die

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