Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
abzuschließen. Ich folgte ihm zu den anderen Läufern, die bereits ihre Dehnübungen machten, und sah ihm beim Aufwärmen zu.
Er war zweifellos der beste Sprinter der Highschool. College-Anwerber schwirrten seit der achten Klasse um ihn herum wie Bienen um den Honig, nachdem er den Spitzenrekord eines Oberstufenschülers namens Mike Remy gebrochen hatte. Die Princeton-Universität hatte ihm sogar schon mehr oder weniger einen Platz in ihrem Team zugesagt, wenn er bis zum Abschluss seinen Notendurchschnitt hielt. Er war ein Star. Ein Lokalmatador. Er war der unbekümmerte, süße, rundum nette Junge, den jeder mochte. Das war schon immer so gewesen.
Er war kein Junge, der etwas mit der besten Freundin seiner Freundin anfing. Und er war bestimmt kein Junge, der die Menschen betrog, die ihm am meisten bedeuteten. Deshalb war die ganze Sache mit dem gebrochenen Herzen auch so unerwartet und wie aus heiterem Himmel gekommen. Der solide, verlässliche Boden war mit einem Mal unter mir weggebrochen. Keine Sirenen. Kein Feueralarm. Keine Elefanten, die vor einem Tsunami panisch ins Landesinnere flüchteten.
Um ehrlich zu sein: Selbst nach all den Monaten konnte es ein Teil von mir noch immer nicht glauben.
Jakob und Sadie.
Das machte einfach keinen Sinn.
Aber etwas hatte sich verändert, als hätten die Planeten ihren Standort gewechselt. Das sah ich an der Art, wie ihn die anderen anschauten, wie sie sich in seiner Gegenwart verhielten. An der Art, wie seine Teamkameraden die Augen zusammenkniffen und leiser sprachen, wenn er vorüberkam.
Was war nur los?
Jakob dehnte seinen rechten Arm quer vor der Brust und ging dann zum linken über.
»Hey, Fischer, du kommst spät«, sagte Bobby, sein Trainer. »Mach dich warm. Du bist der Nächste.«
»Entschuldigung.« Jakob senkte den Kopf und joggte zu seinem Team hinüber.
Ich beobachtete die Gesichter seiner Kameraden, als er bei ihnen ankam. Ja, irgendetwas stimmte da nicht. Keine freundlichen Blicke. Kein Lächeln, kein »Wie geht’s?«, keine High fives. Nur betretenes, unbehagliches Schweigen.
Meine Haut kribbelte vor Schadenfreude, als ich die Wahrheit erkannte. »Sie wissen es«, flüsterte ich. »Sie wissen, was er mir angetan hat.«
»Soll das heißen«, fragte Patrick, »dass unsere Arbeit hier beendet ist?«
Ich lachte sarkastisch. »Träum weiter, Patricia!«
Die Läufer gingen zu ihren Startblöcken, Jakob war auf der Innenbahn.
Perfekt.
»Auf die Plätze!«, rief Trainer Bobby und hielt die Startpistole über den Kopf.
Die Jungs gingen in Startposition.
»Fertig!«
Sie beugten sich vor.
Dann fiel der Startschuss, und ich sah zu, wie die Läufer lossprinteten, sah die Bewegungen ihrer Muskeln und ahnte ihren Herzschlag.
Es war ein kurzes Rennen – nur hundert Meter. Jakob führte. Ich sah, wie er vor der Ziellinie die Augen zusammenkniff, während die Zuschauermenge das Heimteam anfeuerte.
P-C-H! P-C-H! P-C-H!
Gleich würden sie alle sehen, wozu ich aus dem fernen, dummen Jenseits fähig war. Alle schauten zu. Die gesamte Highschool. Alle Lehrer und Eltern.
Ein wenig abseits, oben auf der Tribüne, saß einsam und allein ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen. Ich sah ihr Gesicht ganz genau, als wären die Wolken aufgebrochen und ein Lichtstrahl fiele genau auf sie.
Sadie.
Ich lächelte schadenfroh, als Jakob auf mich zurannte.
»Mach dich auf was gefasst, Russo«, flüsterte ich und stellte mich in Position. Er war nun so nah, dass ich in seinen dunkelblauen Augen beinahe mein Spiegelbild erkennen konnte. Für einen Moment dachte ich an den Klang seines Herzschlags und schämte mich für das, was ich gleich tun würde.
Aber ich erinnerte mich auch an das Geräusch meines Herzens.
Ich spannte meine Muskeln an, streckte mein Bein aus und konzentrierte mich stärker als je zuvor. Ich machte mich auf den Aufprall gefasst, denn ja, das würde sehr wahrscheinlich wehtun. Ihm jedoch sicherlich viel mehr als mir.
3 – 2 – 1 – KONTAKT.
Plötzlich kam die Welt quietschend zum Stillstand. Ich hörte das Geräusch berstender Knochen. Ich hörte, wie es auf den Zuschauerrängen schlagartig still wurde, als ihr bislang bester Sprinter mit dem Gesicht voran auf die Bahn flog.
Und dann hörte ich wie Musik den süßen, glanzvollen Erfolg und das Princeton-Stipendium meines Exfreundes sich in Luft auflösen.
27
cry me a river
Patrick sprach nicht mit mir. Zur Strafe. Weil ich, Zitat, »zu weit gegangen war«.
»Nichts für ungut«, meinte
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