Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Kohlegas-Bohrlöchern, die Firmen auf dem Boden der Bauern gebohrt haben. Das dürfen sie, selbst gegen den Willen der Besitzer. Denn sie haben das Recht auf ihrer Seite: In Australien gehören nur die ersten paar Zentimeter Boden dem Grundeigentümer. Was darunter liegt, kontrolliert der Staat. Und der hat das Recht, Abbaulizenzen zu verkaufen, dem Meistbietenden.
Wenn die Firmen nach Gas suchen wollen, können Besitzer ihren Boden nur verkaufen, oder sie müssen sich mit einer mageren Abfindung zufriedengeben. Auf jeden Fall wird eines Tages der mobile Turm auffahren und ein tiefes Loch bohren. Und damit beginnt ein Prozess, der das Potential hat, in einer Katastrophe zu enden. Um Gas in tiefliegenden Kohleschichten zu gewinnen, wird mit giftigen Chemikalien vermischtes Wasser in die Tiefe gepumpt. Dort sprengt es das Kohleflöz – das Gas kann gefördert werden. Die Chemikalien können sich mit dem Grundwasser vermischen und es verschmutzen. Für immer.
Die Bedürfnisse kommender Generationen haben wenig Gewicht bei den Entscheiden eines Großteiles der australischen Politiker. Seit 20 Jahren frage ich mich, was die Ursache für dieses extrem kurzsichtige Denken sein könnte. Ohne Zweifel denken viele Australier, dass dieses Land groß genug ist, um einen Teil davon dem »Fortschritt« zu opfern. Dies ist ein Pionierland. Die Zerstörung von Natur geht einher mit dem Bedürfnis für Fortschritt.
»Deswegen ist unsere Nation weiterhin bereit, dafür auch ihre größten Schätze zu opfern«, sagt Viola, als ich mit ihr über dieses Thema philosophiere. Doch diese Schätze gehörten nicht nur Australien, sondern jedem Menschen auf diesem Planeten. »So wie das Matterhorn nicht nur euch Schweizern gehört und der Grand Canyon nicht nur den Amerikanern. Diese Länder haben nur die Fürsorgepflicht.«
Australien erfüllt diese Pflicht miserabel. Seit Beginn der weißen Besiedelung wurden weltweit einzigartige Ökosysteme zerstört, Tausende von Quadratkilometern Regenwald abgeholzt. Das Große Barrier Riff ist nach über einem Jahrhundert der Verschmutzung durch düngerhaltige Abwässer aus der Landwirtschaft hochgradig geschädigt. Jetzt droht ihm als Folge des Klimawandels der Tod. Trotzdem sind an der Küste von Queensland mehrere gigantische Kohle-verladehäfen im Betrieb oder im Bau. Der Meeresboden wird ausgebaggert. Schlamm mit Schwermetallen am Riff abgeladen. Ein Schiffsunglück, eine Ölpest sind nur eine Frage der Zeit.
KAPITEL 40
Längerfristig aber hat Australien ein noch größeres Problem. Als führender Exporteur von Kohle, macht es einen wesentlichen Teil seines Wohlstandes mit einem Produkt, das keine Zukunft hat.
»Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Welt nach Sündenböcken sucht für die eskalierende Zahl von Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Feuersbrünsten und klimatisch bedingten Todesfällen«, warnte ein Wissenschaftler in einem Interview mit mir. »Und einer dieser Sündenböcke ist Australien. Auch wenn wir hier nur zwei Prozent der Klimagase der Welt selbst produzieren, sind wir durch unsere Kohleexporte doch für ein Vielfaches mehr verantwortlich. Wir leisten uns unseren hohen Lebensstil auf Kosten der Gesundheit der Welt.«
Solche Aussagen sind ketzerisch. Als ich Premierminister Kevin Rudd diese Theorie vorlege, meint er, jedes Land sei für seine eigenen Emissionen verantwortlich. »Wenn wir Kohle verkauft haben, ist sie nicht mehr unser Problem. Wir decken die Bedürfnisse eine Marktes.«
Die Argumentation, die ein Drogenhändler benutzen würde.
Sieben Jahre ist es her, seit Kevin Rudd gepredigt hatte, Klimawandel sei »die größte moralische Herausforderung unserer Generation«. Viel ist nicht geblieben von dem Vorsatz, aktiv gegen diese monumentale Bedrohung vorzugehen. Seine Klimasteuer ist dem Tode geweiht, genauso wie die Steuer auf die Supergewinne der Rohstoffunternehmen. Konservativenführer Tony Abbott will die Steuern abschaffen, falls er die Wahlen gewinnt, und den Klimawandel mit dem »Pflanzen von Hunderttausenden von Bäumen« bekämpfen.
»Ich kann nicht glauben, dass es so weit kommen konnte«, klagt Viola, als ich sie zum Kaffee treffe. Umfragen zeigen, dass Labor die Wahlen verlieren wird. Dabei hatte Tony Abbott noch vor kurzem sogar in seiner eigenen Partei als »unwählbar« gegolten, wie einer seiner Vorgänger an der Parteispitze meinte. Er sei der »vielleicht gefährlichste Politiker in der Geschichte Australiens«, warnte sogar der
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