Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
Vom Netzwerk:
Nachdem er 1996 an die Macht gekommen war, perfektionierte der konservative John Howard die brutale Politik. Im August 2001 verbot er dem mit 433 schiffbrüchigen afghanischen Flüchtlingen beladenen norwegischen Frachter Tampa, an der Weihnachtsinsel anzulegen. Schwerbewaffnete Armeeeinheiten stürmten das Schiff und bewachten die entkräfteten Flüchtlinge, darunter kranke Frauen und Kinder. Die Bilder gingen um die Welt. Nach Tagen unter brütender Sonne wurden die Menschen in ein Lager nach Nauru deportiert, einem bankrotten Kleinstaat mitten im Pazifik. »Pazifische Lösung« des Asylproblems nannte Howard die Abschiebung.
    Damals entdeckte jeder Politiker Australiens den Wert dessen, was als »Hundepfeifen-Politik« in die Geschichte eingehen sollte: Ohne direkt rassistisch zu sprechen, schaffte es Howard, mit gezielt platzierten Behauptungen, die rassistischen Gefühle zu wecken, die in der Bevölkerung schlummern. So meinte er, ohne jegliche Beweise zu haben, »unter den Flüchtlingen könnten sich Terroristen befinden«. Seine Minister nannten die Ankömmlinge »Illegale«, obwohl sie wussten, dass es keine »illegale« Asylsuchende gibt, nicht laut den Vereinten Nationen. Für Howard war die Strategie ein politischer »Sechser im Lotto«. Seine sinkende Beliebtheit schoss dank »Tampa« wieder in die Höhe, seine Regierung wurde wiedergewählt. Und der Begriff »Illegale« wird bis heute von Politikern und Kommentatoren missbraucht.
    Kamen Bootsflüchtlinge früher aus Vietnam und Kambodscha, sind es heute vor allem Iraker, Iraner, Afghanen und Menschen aus Sri Lanka. Was sie hier erwartet, ist nach Meinung vieler Kritiker kaum besser als die Todesfahrt. Früher waren die Internierungslager halb offen, heute sind es Gefängnisse. Selbstverstümmelungen, Selbstmordversuche und Depression unter den meist bereits schwer traumatisierten Menschen sind an der Tagesordnung. Doch die inhumane Behandlung von Schutzsuchenden hat im Volk viel Unterstützung. Wie sinnlos das ganze System eigentlich ist, zeigt, dass über 91 Prozent der Asylsuchenden schließlich doch als »echte« Flüchtlinge anerkannt werden.
    Ausländische Beobachter haben für das »Asylproblem« Australiens meist nur ein müdes Lächeln übrig, wenn sie es an der Situation in ihren eigenen Ländern messen. Im Finanzjahr 2011/2012 kamen gerade mal 7983 Menschen in Booten nach Australien. Und im Vergleich mit anderen Ländern nimmt Australien heute eine minimale Zahl von Flüchtlingen auf: 2012 befanden sich weltweit über 15 Millionen Menschen auf der Flucht, Australien bot gerade mal 13759 von ihnen Schutz. Gleichzeitig lebten – weitgehend sorglos vor dem Zugriff der Behörden – gut 60000 Touristen und Studenten im Land, deren Visum abgelaufen war. Die wirklichen Illegalen.
    Die Zwangsinternierung gilt absurderweise nur für Menschen, die auf dem Seeweg nach Australien kommen. Schutzsuchende, die mit dem Flugzeug in Sydney oder Melbourne landen – der weitaus größte Anteil der Asylsuchenden –, sind von den Bestimmungen ausgeschlossen. Ein Grund für diese Regel sei die tiefverwurzelte Furcht einer Invasion aus dem Norden, aus Asien, erzählt mir der Immigrationsforscher Stephen Castles. »Wie viele Länder hat auch Australien eine Urangst, vom Wasser her überfallen zu werden.« Ich erinnere mich an David, 30 Jahre alt, einen inzwischen von unserer Straße weggezogenen Nachbarn. »Ich schlafe nie ohne meine geladene Waffe neben dem Bett, für den Fall, dass uns die Indonesier angreifen«, hatte er mir vor Jahren stolz erzählt. »Oder die Chinesen.«
    Bis zum heutigen Tag ist die Politik der Härte das Instrument der Wahl für australische Politiker. Mitte 2013 saßen Tausende von Asylsuchenden hinter Gittern, unter ihnen 1000 Kinder. Dann gab Premierminister Kevin Rudd bekannt, alle Bootsflüchtlinge würden künftig nach Papua-Neuguinea deportiert. Sie sollten »nie mehr eine Chance haben, sich in Australien niederlassen zu können.«
    Eine Woche später bin ich wieder in Greentown. Ich treffe Betty Nixon in ihrem Haus. »Mr Pebble« springt an meinem Bein hoch, als sie mich – in einer Wolke von Marlboro-Rauch – ins Wohnzimmer führt. »Sie haben mich nicht mehr ins Lager gelassen«, erzählt Betty, einmal mehr den Tränen nahe. Ihren »Jungs« gehe es seither schlechter als je zuvor. Ahmed könne nur noch mit schweren Medikamenten seine Selbstmordgedanken abwehren. Fünf Monate später erfahre ich, dass Betty Nixon

Weitere Kostenlose Bücher