Weiter weg
für den Bau von vierzehn neuen Golfanlagen mit dazugehörigen Wohnkomplexen (bisher gibt es auf der Insel drei Golfplätze), obwohl das Land nur über sehr begrenzte Wasserressourcen verfügt. Jeder, dessen Grundstück über eine Straße zu erreichen ist, darf darauf bauen, infolgedessen ist das Land bemerkenswert zersiedelt. Ich suchte die vier bedeutendsten Naturschutzgebiete im Südosten der Insel auf, die theoretisch besonderen Schutz durch EU-Richtlinien genießen. Sie befanden sich allesamt in einem deprimierenden Zustand. Der große Trockensee bei Paralimni etwa, in dessen Nähe ich mit den CABS-Leuten auf Patrouille ging, ist eine lärmende, staubige Mulde, in der man einen illegalen Schießplatz und einen ebenso illegalen Motocross-Parcours eingerichtet hat. Überall liegen Patronenhülsen, Bauschutt, ausrangierte Haushaltsgeräte und Sperrmüll herum.
Und trotzdem kommen noch immer Vögel nach Zypern; sie haben keine andere Wahl. Auf dem Rückweg in die Stadt, als der Himmel nicht mehr blendend weiß war, hielten die Männer der CABS-Patrouille an, um eine Kappenammer zu bewundern, einen prächtigen kleinen Vogel in Gold, Schwarz und Kastanienbraun, der auf den obersten Zweigen eines Strauches saß und sang. Für einen Augenblick löste sich unsere Anspannung, und wir waren nur noch Vogelbeobachter, die ihre Begeisterung in den jeweiligen Muttersprachen zum Ausdruck brachten. «Ah, che bello!»
«Fantastic!»
«Unglaublich schön!»
Zum Abschluss des Tages wollte Rutigliano an einem Obstgarten halten, wo ein CABS-Mitarbeiter im Jahr zuvor von Vogelfängern zusammengeschlagen worden war. Als wir in unserem Mietwagen von der Straße auf den Feldweg abbogen, kam uns ein roter Pick-up entgegen, dessen Fahrer die Geste des Halsabschneidens machte. Er fuhr auf die Hauptstraße, und zwei Insassen beugten sich aus den Fenstern und zeigten uns den gereckten Mittelfinger.
Heyd, der nüchterne Deutsche, wollte gleich umkehren, doch die anderen wandten ein, es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass die Männer in nächster Zeit zurückkommen würden. Wir fuhren bis zu dem Obstgarten, in dem wir vier Halsbandschnäpper und einen Waldlaubsänger fanden, der nicht mehr fliegen konnte; Rutigliano reichte ihn mir, damit ich ihn in meinem Rucksack verstaute. Als wir alle Leimruten unschädlich gemacht hatten, drängte Heyd abermals und deutlich nervöser zum Aufbruch, doch es gab einen anderen, etwas weiter entfernten Hain, den sich die beiden Italiener noch ansehen wollten. «Ich hab ein gutes Gefühl», sagte Rutigliano.
«Wie heißt es so schön: ‹Fordere dein Glück nicht heraus›», sagte Conlin.
In diesem Augenblick tauchte der rote Pick-up wieder auf und hielt fünfzig Meter entfernt mit einem Ruck. Drei Männer sprangen heraus und kamen auf uns zugerannt, wobei sie mit tennisballgroßen Steinen nach uns warfen. Ich hatte immer angenommen, es könne nicht so schwer sein, ein paar geworfenen Steinen auszuweichen, doch leicht war es nicht. Sowohl Conlin als auch Heyd wurden getroffen. Rutigliano filmte, Mensi machte Fotos, und alle riefen wild durcheinander – «Film weiter, film weiter!» «Ruf die Polizei an!» «Wie ist die Nummer?» Mit Rücksicht auf den Laubsänger in meinem Rucksack und weil ich nicht für ein CABS-Mitglied gehalten werden wollte, folgte ich Heyd, der sich über den Hügel zurückzog. In nicht ganz sicherer Entfernung blieben wir stehen und sahen, wie zwei der Männer sich auf Mensi stürzten und versuchten, ihm Rucksack und Kamera zu entreißen. Die beiden waren braungebrannt und in den Dreißigern, und sie riefen: «Warum tut ihr das? Warum macht ihr Fotos?» Mensi schrie laut, unter dem T-Shirt zeichneten sich seine Muskeln ab, und er presste die Kamera an seinen Bauch. Die Männer knöpften ihn sich vor, warfen ihn zu Boden und fielen über ihn her; es entstand ein heftiges Handgemenge. Ich konnte Rutigliano nicht sehen, erfuhr aber später, dass man ihn ins Gesicht geschlagen, zu Boden gestoßen, gegen die Beine und in die Rippen getreten hatte. Die Männer zerschmetterten seine Videokamera auf einem Stein und schlugen Mensi damit auf den Kopf. Conlin stand in beeindruckend soldatischer Haltung mitten in dem Durcheinander, hielt zwei Handys in den Händen und versuchte, die Polizei anzurufen. Hinterher erzählte er mir, er habe den Männern zugerufen, dass er sie, sollten sie ihn auch nur anrühren, vor den Kadi zerren werde.
Heyd hatte sich weiter zurückgezogen, was, wie ich
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