Weiter weg
führt. Die Malteser schießen Bienenfresser, Wiedehopfe, Pirole, Sturmtaucher, Störche und Reiher. Sie stehen am Zaun des internationalen Flughafens und schießen zur Übung auf Schwalben. Sie schießen von Flachdächern und den Seitenstreifen vielbefahrener Straßen. Sie drängen sich in engen, in die Steilküsten gebauten Unterständen und mähen ganze Schwärme ziehender Falken nieder. Sie schießen gefährdete Greifvögel wie Schreiadler und Steppenweihen, für deren Schutz in weiter nördlich gelegenen Ländern Millionen von Euros ausgegeben werden. Seltene Exemplare werden ausgestopft und der Trophäensammlung hinzugefügt; nicht so seltene lässt man einfach liegen oder versteckt sie unter Steinen, damit sie den Schützen nicht verraten. Wenn italienische Vogelbeobachter einen Zugvogel sehen, dem Schwung- oder Schwanzfedern fehlen, sprechen sie von «Malteser Gefieder».
In den 1990er Jahren, als man über den Beitritt zur EU verhandelte, begann die Regierung, eine bereits bestehende Verordnung zum Schutz nicht jagdbarer Tiere auch durchzusetzen. Das erregte Aufsehen, selbst bei weit entfernt tätigen Organisationen wie der britischen Royal Society for the Protection of Birds , die zur Unterstützung der Behörden sogleich Freiwillige entsandte. «Die Situation ist nicht mehr verzweifelt, sondern nur noch übel», sagte mir einer von ihnen. Doch maltesische Jäger stehen auf dem Standpunkt, ihr Land sei viel zu klein, um europäischen Vogelpopulationen ernsthaft Schaden zuzufügen, und lehnen diese fremde Einmischung in ihre «Tradition» vehement ab. Der nationale Jagdverband Federazzjoni Kaċċaturi Nassaba Konservazzjonisti schrieb im April 2008 in seinem Rundbrief: «Der FKNK ist der Ansicht, dass die Polizeiarbeit von der maltesischen Polizei erledigt werden sollte und nicht von überheblichen Extremisten aus dem Ausland, die glauben, weil Malta in der EU ist, gehöre es ihnen.»
Als die Vogelschutzorganisation BirdLife Malta 2006 den Türken Tolga Temuge, der zuvor Greenpeace-Aktionen geleitet hatte, mit einer aggressiven Kampagne gegen die illegale Jagd beauftragte, fühlten sich die Jäger an die Belagerung Maltas durch die Türken im Jahr 1565 erinnert und reagierten mit unverhüllter Wut. Lino Farugia, der Generalsekretär des FKNK, wetterte gegen «den Türken» und seine «maltesischen Lakaien», Personal und Eigentum von BirdLife wurden bedroht und angegriffen. Einem Mitarbeiter wurde ins Gesicht geschossen; drei Wagen, die freiwilligen Helfern von BirdLife gehörten, wurden in Brand gesetzt; in einem Wiederaufforstungsgebiet wurden mehrere tausend junge Bäume ausgerissen, da der entstehende Wald als Konkurrenz zu dem einzigen anderen Wald der Insel gesehen wurde, in dem die Jagd auf rastende Vögel erlaubt ist. Eine vielgelesene Jagdzeitschrift erklärte im August 2008: «Man sollte die moralischen Bindungen und Werte maltesischer Familien nicht unbegrenzt strapazieren; irgendwann wird ihr südländisches Blut überkochen, und man kann nicht erwarten, dass sie in feigem Rückzug ihr Land und ihre Kultur preisgeben.»
Und doch ist, im Gegensatz zu Zypern, die öffentliche Meinung in Malta eindeutig gegen die Jagd. Neben dem Bankwesen ist Maltas Haupteinnahmequelle der Tourismus, und in den Zeitungen gibt es oft wütende Leserbriefe von Touristen, die von Jägern bedroht oder Zeugen grausiger Vogelmassaker wurden. Das maltesische Bürgertum ist keineswegs erfreut, dass die sehr begrenzte freie Natur überlaufen ist von schießwütigen Jägern, die auf öffentlichem Land «Zutritt verboten»-Schilder aufstellen. Im Gegensatz zu BirdLife Cyprus ist es BirdLife Malta gelungen, für eine Medienkampagne mit dem Slogan «Hol dir DEIN Land zurück» Prominente zu gewinnen, darunter auch den Besitzer der Hotelgruppe Radisson.
Malta hat jedoch ein Zweiparteiensystem, und weil gewöhnlich wenige tausend Stimmen die Wahlen entscheiden, können es sich weder die Labour Party noch die Nationalisten leisten, ihre jagdwütigen Wähler so vor den Kopf zu stoßen, dass sie den Urnen fernbleiben. Daher wird die Einhaltung der Jagdgesetze nur sehr lax überwacht: Man stellt so wenige Beamte wie möglich dafür ab, viele Polizisten sind mit Jägern befreundet, und auch gutwillige Polizisten reagieren auf Beschwerden oft nur langsam. Und selbst wenn Verstöße geahndet werden, verhängen maltesische Gerichte gewöhnlich Geldstrafen in Höhe von nur ein paar hundert Euro.
In diesem Jahr hat die von den
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