Weiter weg
durch den Hain davon und setzte seine Reise nach Norden fort.
Wir standen, umgeben von Verkehrslärm, zwischen Melonenfeldern, Baustellen und Hotelanlagen. David Conlin, ein stämmiger britischer Ex-Soldat, warf die zerbrochenen Leimruten in ein Gebüsch und sagte: «Es ist erschreckend – die Dinger findet man hier einfach überall.» Ich sah zu, wie Rutigliano und Mensi einen weiteren Vogel befreiten, einen wunderschönen Waldlaubsänger mit gelber Kehle. Es kam mir falsch vor, diesen Vogel, den man sonst nur mit einem guten Fernglas beobachten kann, aus nächster Nähe zu sehen. Es war geradezu enttäuschend. Ich wollte zu dem Laubsänger sagen, was Franz von Assisi beim Anblick eines gefangenen wilden Tiers gesagt haben soll: «Warum hast du dich fangen lassen?»
Als wir den Hain verließen, schlug Rutigliano vor, Heyd solle sein T-Shirt mit dem CABS-Aufdruck auf links wenden, damit wir aussahen wie gewöhnliche Touristen. Auf Zypern darf man jedes nicht eingezäunte Stück Land betreten, und jede Form der Singvogeljagd ist seit 1974 verboten, und dennoch erschien mir unser Tun ziemlich kühn und möglicherweise gefährlich. In ihrer dunklen Kleidung wirkten die Männer des Teams nicht wie Touristen, sondern wie Mitglieder eines Einsatzkommandos. Eine Zypriotin, vielleicht die Besitzerin des Hains, sah uns ausdruckslos nach, als wir auf einen Feldweg abbogen. Dann überholte uns ein Pick-up, und die Männer folgten ihm im Trab, denn sie fürchteten, der Fahrer könnte uns zuvorkommen und seine Leimruten abnehmen und verstecken.
Im Garten des Mannes entdeckten wir zwei Paar etwa sechs Meter lange Metallstangen, parallel auf Liegestühlen platziert: eine kleine Leimrutenmanufaktur, mit der ältere Zyprioten, die sich im Geschäft mit dem Vogelfang auskennen, gutes Geld verdienen können. «Er stellt die Dinger her und behält welche für sich», erklärte Rutigliano. Er und die anderen sahen sich ungeniert in den Hühner- und Kaninchenställen des Mannes um, nahmen einige leere Leimruten ab und legten sie auf die Stangen. Dann gingen wir über einen Hügel in einen mit Bewässerungsschläuchen durchzogenen Garten voller gefangener Vögel. « Questo giardino è un disastro! », sagte Mensi, der nur Italienisch sprach.
Ein Mönchsgrasmückenweibchen hatte bereits fast alle Schwanzfedern verloren. Es klebte nicht nur an beiden Füßen und Flügeln, sondern auch am Schnabel fest, den es, sobald Rutigliano ihn von der Leimrute gelöst hatte, aufriss, um lauthals zu schimpfen. Nachdem er die Grasmücke ganz von Klebstoff befreit hatte, träufelte er ihr etwas Wasser in den Rachen und setzte sie auf die Erde. Sie fiel vornüber und flatterte erbärmlich. Ihr Kopf sank zu Boden. «Sie hat so lange da gehangen, dass die Beinmuskeln überdehnt sind», sagte er. «Wir behalten sie über Nacht und lassen sie morgen fliegen.»
«Auch ohne Schwanz?», fragte ich.
«Na klar.» Er nahm den Vogel und steckte ihn in eine Außentasche seines Rucksacks. Mönchsgrasmücken sind in ganz Europa weit verbreitet. Auf Zypern gelten sie als traditionelle Delikatesse, die als ambelopoulia angeboten wird. Die zypriotischen Vogelfänger haben es hauptsächlich auf Mönchsgrasmücken abgesehen, doch der Beifang ist enorm: seltene Würger, andere Grasmückenarten, größere Vögel wie Kuckuck und Pirol, ja sogar kleinere Falken und Eulen. In diesem zweiten Garten fanden wir fünf Halsbandschnäpper, einen Haussperling, einen Grauschnäpper (früher sehr verbreitet, inzwischen in weiten Teilen Nordeuropas selten geworden) sowie drei weitere Mönchsgrasmücken. Nachdem die Männer die Vögel befreit hatten, einigten sie sich nach kurzer Diskussion auf eine Gesamtzahl von 59 Leimruten auf diesem Grundstück.
Etwas weiter landeinwärts, in einem trockenen, unkrautüberwucherten Hain mit Blick auf das blaue Meer und die goldfarbenen Doppelbogen des neuen McDonald’s, entdeckten wir eine Leimrute, an der ein lebender Vogel hing. Es war ein Sprosser, eine grau gefiederte Art, die ich erst ein Mal zuvor beobachtet hatte. Er war über und über mit Leim verschmiert und hatte sich einen Flügel gebrochen. «Der Bruch ist zwischen zwei Knochen – das verheilt nicht mehr», sagte Rutigliano, nachdem er den Flügelbug durch die Federn hindurch vorsichtig abgetastet hatte. «Wir müssen ihn leider töten.»
Vermutlich hatte der Vogelfänger am Morgen beim Einsammeln seiner Leimruten den Sprosser übersehen. Während Heyd und Conlin sich berieten,
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