Weites wildes Land
»Soll ich etwa den ganzen Weg reiten?« rief Lorelei aus. »Mir wäre lieber, wenn Sie uns besuchen. Ich gehöre einfach nicht in den Busch.« Eine weitere Gruppe Reiter kam die Straße hinunter und schloß sich dem Troß an. Max Klein und seine Bergleute hatten beschlossen, die Hamiltons zu begleiten, um den besten Weg nach Black Wattle kennen zu lernen. Die deutschen Bergarbeiter salutierten, als sie am Colonel vorbeiritten. Auch Josie und Hilda waren erschienen, um sie zu verabschieden, und Sibell unterhielt sich immer noch mit ihnen, als Zack angeritten kam. »Komm schon, Frau«, rief er ihr zu. »Los, aufs Pferd. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Grinsend sah er zu, wie der Colonel Sibell auf eine große Rotfuchsstute half. Dann kam er näher und machte ein besorgtes Gesicht. »Willst du nicht lieber mit dem Schiff fahren?« »Nein«, erwiderte sie wie Maudie damals. »Es dauert doppelt so lang und ist todlangweilig. Wir reiten zusammen nach Hause.«
* * *
Am Samstag abend nach dem Essen zog Zack sich mit Casey auf die Veranda zurück, wo sich die beiden Männer zufrieden setzten. »Es ist schön, wieder zu Hause zu sein«, meinte Zack. Casey nickte und zog an seiner Pfeife. »Ich habe nachgedacht«, fuhr Zack fort. »Wir sollten diesen Max Klein von den Minen samstags zum Essen einladen, wenn er es einrichten kann. Wenn wir Umgang mit ihm pflegen, wird es bei den Schürfarbeiten bestimmt nicht zu Zwischenfällen kommen.« »Kann nicht schaden«, stimmte Casey zu. »Übrigens, was ich Sie schon länger fragen wollte, was machen wir mit Jimmy Moons Pferd?« »Geben wir es Netta.« »Netta?« Verwundert riß Casey die Augen auf. »Das Pferd gehörte einem Schwarzen, also können wir es ihnen nicht mehr wegnehmen. Und Netta verdient eine Belohnung, weil sie sich im Zyklon um Wesley und die Mädchen gekümmert hat. Ich bin vor Angst fast gestorben, weil ich dachte, sie lägen unter dem Haus begraben.« »O ja, das habe ich ganz vergessen. Außerdem hatte sie ein Auge auf Jimmy Moon geworfen. Sie haben ihn nie kennen gelernt, oder?« »Nein«, antwortete Zack. »Daß so etwas Schreckliches hier geschehen mußte. Er war bei unseren Schwarzen recht beliebt. Wie haben sie’s übrigens aufgenommen?« »Zuerst nicht sehr freundlich, aber dann ist wieder Ruhe eingekehrt. Ich habe herausgefunden, wo sie seine Leiche begraben haben… Draußen beim Steinkreis.« »Beim Steinkreis? Ich dachte, diesen Ort meiden sie wie die Pest.« »Ja, aber die Zeiten haben sich geändert. Und noch etwas Komisches ist passiert: die Emus sind zurück.« Zack fuhr hoch. »Also doch. Ich habe letztens einige gesehen, aber nicht weiter darauf geachtet. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat?« »Das finden wir wohl nie heraus. Bygolly sagt nur, daß es ein Totemplatz für Emus ist.« »Und warum sind sie dann weggeblieben?« Casey lachte auf. »Das wird Ihnen gefallen: Bygolly meint, sie wären die ganze Zeit dagewesen, und wir hätten sie bloß nicht gesehen.« Aus dem Haus drangen laute Stimmen in den stillen Abend hinaus. Maudie und Sibell stritten wieder einmal miteinander. »Wann ist Maudies Haus endlich fertig?« fragte Zack. »In ein paar Wochen, würde ich sagen.« »So bald?« fragt Zack grinsend. »Es wird verdammt still hier werden.« »Die Mädchen lassen heute wieder mal die Fetzen fliegen«, stellte Casey fest. Zack lehnte sich zurück und streckte die langen Beine aus. »Sie haben keine andere Wahl«, sagte er gähnend. »Denn wenn sie aufhören, sich zu zanken, stellen sie fest, daß sie eigentlich Freundinnen sind. Und das würde ihnen gar nicht gefallen.«
Nachwort
Palmerston hat überlebt, ebenso wie Pine Creek und Katherine. Die beeindruckende Schlucht von Katherine ist heute von einem Nationalpark umgeben, und östlich von Darwin hat man den berühmten Kakadu-Nationalpark eingerichtet. Die Stadt Stuart wurde in Alice Springs umbenannt. Die großen Rinderfarmen im Norden gediehen, und einige stehen während der Trockenzeit Besuchern offen. Im Jahre 1911 übernahm das Commonwealth die Verwaltung des Northern Territory. Die Stadt Palmerston erhielt den Namen Darwin. Bis 1897 wurde Palmerston von drei schweren Zyklonen heimgesucht, doch die entschlossenen Siedler bauten die Stadt jedesmal wieder auf. Nach der Jahrhundertwende entwickelte sich Darwin zu einer blühenden Metropole. Im Jahre 1937 allerdings schlug der Zyklon wieder zu, und 1942 wurde die Stadt durch Bombardements der Japaner erneut
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