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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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entschlossen, eine richtige Beziehung einzugehen, mit allem, was zu einem normalen Leben dazugehörte – Anrufen und Blumen und familiären Antrittsbesuchen.
    Er zuckte zusammen, als er an seinen Vater dachte, wie er über dem verschrammten Küchentisch hing und finster auf den Grund seines Whiskeyglases starrte. Okay, ein Besuch bei
seiner
Familie wäre derzeit vielleicht etwas übereilt. Aber wenigstens konnte er mit Maggie ausgehen, sie zum Essen und ins Kino einladen.
    Sie in einem Bett lieben.
    Caleb rieb sich das Knie und warf einen Blick zu den Bäumen hinüber. Wenn sie zurückkam, musste er sie um ihre Telefonnummer bitten.
    Das Feuer zischte und knallte, schickte Funken zusammen mit der heißen Luft hinauf in die Dunkelheit.
    Es dauerte lange, bis er akzeptieren konnte, dass sie nicht wiederkommen würde.

[home]
    4
    W ellen brachen sich an den Felsen von Sanctuary, der Insel der Selkies. Weiße Gischtschleier verhüllten die Nachmittagssonne. Tropfen glitzerten in der Luft wie Diamanten. Weiter draußen rollten lange Reihen von Schaumkronen heran, deren Kämme sich über dem tiefen Blaugrün kräuselten. Es waren die Pferde Llyrs, die vor dem Wind herrannten.
    Margred stand allein in einem Turmzimmer von Caer Subai und lauschte dem tosenden Gebrüll der Brandung. Die vermischten Gerüche von Land und Meer, Leben und Verfall drangen zu ihrem Fenster herauf wie die Kletterrosen in einem Märchen.
    Sie starrte hinab in die schäumende See und spürte ein Unbehagen in sich, das so kalt und scharf wie der Wind war, der durch die unverglasten Fenster pfiff.
    Sie zog ihre Samtrobe, die Hinterlassenschaft einer Königin aus dem 15 . Jahrhundert, enger um den Körper. Nicht, um sich daran zu wärmen, sondern um sich von dem schweren Stoff trösten zu lassen. Sie hatte gehofft, dass der Aufenthalt hier auf Sanctuary, bei den Ihren, die Rastlosigkeit stillen würde, die sie in den vergangenen drei Wochen umgetrieben hatte.
    Sie hatte sich getäuscht. Selbst das Gefühl des glatten Stoffs auf ihrer Haut konnte den Schmerz tief drinnen nicht lindern.
    Sie gehörte nicht hierher, an den Hof des Meereskönigssohns, wo Kuppelei und politische Ränke hinter jedem Lächeln und jedem Gespräch lauerten. Sie hielt nicht nach einem neuen Gefährten Ausschau, kümmerte sich nicht um Hofintrigen. Sie wäre besser in der Abgeschiedenheit der See geblieben, in der Unabhängigkeit ihres eigenen Reviers.
    »Komm schnell wieder«,
hatte der Mann zu ihr gesagt.
    Der Gedanke verstörte sie.
    Sie wandte sich vom Fenster ab.
    Kein Teppich bedeckte die fugenlosen Steinplatten unter ihren Füßen. Kein Feuer brannte in dem massiven Kamin. Der Kronleuchter, der von der bemalten Balkendecke herabhing, trug keine Kerzen. Anders als die Kinder der Erde förderten die Selkies kein Erz und produzierten nichts, bauten nichts an und spannen nicht. Caer Subai war mit dem möbliert, was im Laufe von Jahrhunderten aus Schiffswracks geborgen worden war: Wikingergold und Eisen aus Cornwall, seidene Behänge aus Frankreich und Holztruhen aus Spanien. Die Platten und Kelche auf dem Tisch waren alle aus Gold, und die hohen Steinwände waren bedeckt mit Wandteppichen, die Schöpfungsszenen zeigten: eine stilisierte Welle, die Dunkelheit, die Tiefe, eine Taube … Ihre helle Seide wurde durch die Magie konserviert, die den alten Steinen wie Nebelschwaden entströmte und als schwarzer Schatten in den Ecken des Raums lag.
    Die Kinder der See stellten sich den Schiffen nicht in den Weg, die ihr Meer bereisten, doch alles, was in die Wellen eintauchte, war verloren, menschliches Leben wie menschlicher Besitz. Die Selkies retteten Sterbliche von treibenden Wrackteilen, wenn es ihnen gefiel, und gaben den Überlebenden sicheres Geleit an die Küste. Was ihnen sonst noch gefiel, brachten sie hierher oder horteten es in den Meereshöhlen ihrer eigenen Reviere.
    Bei ihren früheren Besuchen hatte sich Margred an den Schätzen von Caer Subai erfreut. Ihr Blick ruhte auf dem Kamin, der phantasievoll mit Seeungeheuern und Seejungfrauen verziert war. Seine wunderliche Gestaltung legte Zeugnis ab von der Kunstfertigkeit seines Schöpfers … und von dem seltsamen Humor des Prinzen. Aber nun erschien ihr alles blass. Verdorben. Getrübt. Schal. Sie sollte ins Meer zurückkehren.
    Nein.
Der Gedanke stieg wie Nebel in ihr auf. Er war ohne feste Gestalt und hüllte sie ein.
Sie sollte zu dem Mann zurückkehren. Caleb.
    Schritte wurden auf der Turmtreppe laut.

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