Wellentraum
maßregeln. Oder belehren.«
»Etwas ist im Gange«, verteidigte sich Dylan. »Etwas, das das Gleichgewicht der Gewalten beeinträchtigt. Conn fürchtet es. Wir alle fühlen es. Es herrscht Aufruhr im Reich der Dämonen.«
Margred fröstelte. Sie wollte nicht glauben, dass ihre Rastlosigkeit mehr als enttäuschte Lust war. Die Bindung an einen Menschen zum jetzigen Zeitpunkt wäre schon nicht gut. Eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen den Elementargeistern, den Kindern der See und den Kindern des Feuers, wäre viel schlimmer.
»Die Dämonen sind immer in Aufruhr«, erwiderte sie. »Was hat das mit uns zu tun? Mit mir? Das Seevolk ist neutral im Krieg der Hölle gegen die Menschheit. Das waren wir immer schon.«
»Wohl kaum neutral«, widersprach Dylan, »wenn du einen von ihnen flachlegst.«
Die spitze Bemerkung verfehlte ihre Wirkung nicht. Margred zuckte zusammen und schärfte dann ihr Lächeln wie ein Messer. »So wie deine Mutter?«
»Meine Mutter hat meinen Vater geheiratet.«
Margred blinzelte erstaunt. »Wirklich? Warum?«
Dylan zog die Lippen zurück. »Was glaubst du wohl? Weil er ihr das Fell weggenommen hat.«
Ah. Selkies konnten ohne ihr Seehundfell nicht ins Meer zurückkehren. Ein sterblicher Mann konnte eine Selkie-Frau an sich binden … solange er ihr Fell versteckte. Da die Kinder aus solchen Verbindungen rar – und üblicherweise menschlich – waren, konnten solche Ehen sogar gutgehen. Manchmal.
»Nachdem ich mich verwandelt hatte, habe ich ihr Fell gefunden«, erklärte Dylan. »Sie hat mich mit sich ins Meer genommen.«
Margred versuchte sich vergeblich vorzustellen, wie es gewesen sein mochte, zum ersten Mal in das Land unter den Wellen zu kommen im Alter von … wie alt mochte er gewesen sein? Zwölf? Dreizehn? Jedenfalls fast erwachsen, aber in einem fremden Körper und einer vollkommen neuen Welt.
»Das muss … verstörend gewesen sein«, vermutete sie.
Dylan senkte den Kopf. »Zumindest unangenehm. Halte dich an deinesgleichen«, riet er. »Das ist leichter für alle.«
Er hatte recht.
Natürlich hatte er recht.
Sie nahm Anteil an seiner Geschichte. Und doch … Sie sah auf seine Kehle. Er trug die Triskele nicht, das Mal der Wächter, das Zeichen der Prinzenelite. Aber Dylan war noch immer der Günstling des Prinzen, gleichermaßen Conns Geschöpf wie sein Spürhund. Hatte er sie aus ehrlicher Besorgnis gewarnt? Oder um seine eigenen Zwecke zu verfolgen?
Sie ließ ihn stehen und ging die Turmtreppe hinab zu den Meereshöhlen unter dem Schloss. Aus Ritzen drang Licht durch die dicken Steinmauern. Margreds Augen gewöhnten sich an die Finsternis. Der Geruch des Ozeans stieg zu ihr auf wie Rauch von einem Menschenfeuer.
Während sie die Wendeltreppe hinunterging, kam ihr eine andere Selkie entgegen: Gwyneth von Hiort. Ihre nackten Füße hinterließen feuchte Pfützen auf dem Stein. Ein rotes Kleid mit Zobelbesatz umhüllte ihre nackten Schultern. Der schwarze Pelz bildete einen hübschen Kontrast zu ihrer milchigen Haut und den blonden Locken, aber die Wahl ihrer Kleidung wirkte dennoch ein wenig unanständig. Die Kinder der See trugen in der Regel niemals Fell außer dem eigenen.
Margred nickte höflich. »Gute Jagd, Gwyneth.«
Gwyneth lächelte, wobei scharfe weiße Zähne zwischen den zartrosa Lippen zum Vorschein kamen. »In der Tat. Ich hatte es auf Fische abgesehen und habe einen Fischer gefangen – einen Schlepper vor Cape Savage.«
»Einen gutaussehenden Fischer, hoffe ich doch.«
»Gut genug. Aber ohne Stehvermögen. Zum Glück hatten seine Gefährten die Ausdauer, die ihm gefehlt hat.«
Margred hob belustigt die Augenbrauen. »Du hattest die ganze Crew?«
Gwyneth zuckte mit den Schultern. Das rote Kleid rutschte ihr über die Schultern. »Es war ein kleines Boot. Außerdem ist zwischen deinen Beinen einer wie der andere.«
Eine Erinnerung wurde aufgerührt.
»Das ist mein Name«,
hatte der Mann gesagt und sie mit seinen meeresgrünen Augen angesehen.
Caleb.
»Ich dachte, wir könnten uns etwas besser kennenlernen.«
Margred wurde rot. Aber sie war nicht so scheinheilig, dass sie Gwyneth für etwas gerügt hätte, das sie selbst gedacht hatte.
Der Blick der anderen Selkie wurde forschend. »Wie ich höre, hast du selbst erfolgreich gejagt. In … Maine, stimmt’s?«
Ein Gefühl brach sich in Margreds Brust Bahn – besitzergreifend, beschützend. »Man hört viel auf Caer Subai«, entgegnete sie kühl. »Und wenig, was das Zuhören
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