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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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gewählter Abgeordneter teilnahm, mit abstrusen Einlassungen, eklatanter Geschichtsfälschung und sinnlosen Anträgen terrorisiert hatte. Bevor er meinen Standort erreichte, löste ich mich von dem Menschenpulk und ging auf Zorns Hauseingang zu. Am Ende der Wohnstraße stand ein Streifenwagen, in dem zwei Uniformierte saßen. Ich knirschte mit den Zähnen. Die würden vermutlich eher die Demonstranten beschützen als meinen Klienten. Ich versuchte den Standpunkt der in der wütenden Menge Versammelten nachzuvollziehen. Angestachelt von den rechtsextremen Scharfmachern ließen sie ihre Frustrationen und ihre Lebensangst an jemandem aus, den sie nicht kannten, der ihnen nichts entgegensetzen konnte und der kochenden Volksseele schutzlos ausgeliefert war. Nein, da war mir kein Verständnis möglich. Ich ekelte mich vor dieser unreflektierten und irgendwie selbstgefälligen Meute.
    Zorns Klingelknopf und sein Namensschild waren mit mehreren weiß-roten Aufklebern der Nazipartei überklebt. Auch auf der Haustür prangte ein   Todesstrafe für Kinderschänder- Schild. Ich knibbelte an dessen Kanten herum, während ich auf das Summen des Türöffners wartete. Fast erwartete ich, dass man mich aus der Menge heraus dafür beschimpfen würde. Doch hinter meinem Rücken blieb es ruhig. Nichts tat sich, die Tür blieb geschlossen. Entweder war Zorn nicht zu Hause oder er wollte nicht öffnen. Ich zog mein Telefon heraus, um ihm mitzuteilen, dass ich es war, der bei ihm klingelte. Er nahm nicht ab. Da ging die Tür auf und eine junge Frau mit unnatürlich blondem Spaghettihaar trat heraus, warf mir einen misstrauischen Blick zu. Ich lächelte verbindlich und schlüpfte ins Treppenhaus.
    Vor Zorns Wohnungstür prallte ich zurück. Sie war von oben bis dicht über der Schwelle mit Naziaufklebern beklebt. Mir zog sich der Magen zusammen. Das war ja der blanke Terror!
    »Wolfgang, ich bin es, Weller. Mach auf. Ich weiß, dass du da bist.« Meine Faust krachte auf die besudelte Türfläche. Ich hatte keine Ahnung, ob er tatsächlich daheim war. Ein wenig kam ich mir vor wie eine Mischung aus Elefant im Porzellanladen und Polizistendarsteller in   SoKo Wismar . Dann hörte ich drinnen erst etwas rascheln, danach wurde die Tür entriegelt und öffnete sich einen Spalt weit. Ein blutunterlaufenes Auge betrachtete mich.
    »Weller«, krächzte Zorn. »Was willst du denn hier?« Das klang nicht unfreundlich, eher verwundert.
    »Ich bin hier, um dir dabei zu helfen, diese Sauerei hier zu entfernen.« Ich deutete auf das Türblatt. Zorn zog die Tür weiter auf, sah kurz auf die Aufkleberflut.
    »Ach das«, murmelte er und schlurfte vor mir den muffigen, vermutlich vor Jahrzehnten das letzte Mal renovierten Flur entlang ins spärlich möblierte Wohnzimmer. Couch, zwei Sessel, gekachelter Tisch, Fernseher, Topfpalme. Zorns Gang, seine Haltung und die Miene, mit der er sich auf die Couch fallen ließ und mir einen der Sessel anbot, hatten etwas Erloschenes.
    »Das lohnt doch nicht. Morgen klebt wieder alles voll. Aber ich habe den Briefkastenschlitz blockiert. Da lag schon eine tote Ratte drin, stell dir vor. Die haben zu viele Mafiafilme gesehen.« Für einen Sekundenbruchteil huschte ein leises Lächeln über sein Gesicht.
    »Du warst gestern nicht beim Boule.« Ich tat so, als wären wir dort jeden Sonntag verabredet.
    »Ich war draußen bei der Klußer Mühle. Fotografieren, bin lieber allein zurzeit.« Neben dem Fernseher stand die offene Fototasche. In ihr sah ich die teure Spiegelreflexkamera, die sich Zorn von einem Teil seines in der Haft angesparten Geldes geleistet hatte. An den Wänden hingen ungerahmte Schwarzweiß- und Farbfotografien, mit Nadeln an die Raufasertapete geheftet: Strandgutstillleben, Architekturdetails, Menschen am Hafen. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte er Talent.
    »Schön zu hören, dass du dich nicht hängen lässt, sondern etwas unternimmst. Aber wieso bleibst du zuhause, wenn der Mob da unten steht?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich versuche, nicht hinzuhören.«
    Immerhin roch ich keinen Alkohol; die Gefahr, dass er aus Wut auf jemanden dort unten einprügelte, war also relativ gering.
    »Aber einfach so wegstecken tust du das auch nicht. Das sehe ich dir an. Geht’s mit dem Nicht-Saufen?«
    Er blickte hinunter auf seine Hände, die mit der Fernseherfernbedienung auf dem Couchtisch spielten.
    »So lala.« Er zögerte. »Weißt du, was noch unerträglicher ist als das da?« Sein Arm hob sich in

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