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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gegen Abend, Jack und Alice wollten zurückreiten, um noch mit Ken zusammen zu sein. Burt schloß sich ihnen an, aber nicht ehe er Wasescha gesagt hatte, daß er bereit wäre zu studieren, wenn der Stamm ihn dazu rufe.
    Inya-he-yukan, Wasescha und Taga blieben für die Nacht in Melittas Haus, ohne daß darüber gesprochen wurde. Sie schauten den drei Reitern noch nach und begrüßten bald darauf Melitta und ihre vier Pflegekinder, als diese nach Hause kamen. Man aß Mehlbrei mit Beeren; alle Leckerbissen wurden für Bob aufgespart, der in zwei Tagen nach Hause kommen sollte.
    Hugh ging aus der Hütte hinaus, um mit seinen Gedanken und dem Entschluß, den er gefaßt hatte, fertig zu werden.
    Er sah Tatokala bei den Pferden und wollte nicht an ihr vorübergehen. Es wurde ihnen beiden wieder gegenwärtig, wie sie sich in der Koppel auf der King-Ranch getroffen hatten und Wasescha das Mädchen Tatokala gemahnt hatte, ihr Leben nicht wegzuwerfen.
    »Du hast mir damals versprochen, daß wir einander helfen wollen«, sagte Hugh.
    »Das ist wahr. Tue ich es nicht?«
    »Du tust es. Du hast unsere große Versammlung vorbereitet, und du hast Inya-he-yukans Anwalt so gut unterrichtet, daß er die Lügen Mabel Mac Leans zuschanden machen konnte. Du warst für ihn und für mich der beste Helfer. Aber sage mir: Hätte ich dich jetzt zu Ken gehen lassen sollen?«
    »Du – mich? Habt ihr einen Handel gemacht, Hugh Mahan?«
    »Komm, Tatokala. So wie du jetzt sprichst, kannst du mit mir nicht sprechen.«
    Die beiden gingen ein Stück in die Wiesen hinaus, und da es noch immer ganz hell war, obgleich die Sonne schon vom lichten zum dunklen Gold überging, liefen sie weiter über die Büffelweiden und dachten an alles, was seit einem Jahr geschehen war.
    »Tatokala Taga. Wir könnten für unseren Stamm zusammen arbeiten. Aber du liebst Ken und möchtest gehen, um ihm zu helfen, um das Große und weithin Sichtbare für uns alle zu tun.«
    »Ich will dir antworten, Hugh, und die Wahrheit sagen. Ich liebe Ken nicht. Ich träume gern von seinem großen Traum.«
    »Aber du bist heute meine Wirklichkeit, Tatokala. Ich will wissen, ob ich eines Tages deine Wirklichkeit werden kann.«
    Tatokala antwortete lange nichts.
    Endlich sagte sie:
    »Ken kämpft draußen, und du kämpfst hier. Aber ich bin nichts als ein junges Mädchen, und ihr macht untereinander aus, für wen ich meine Arbeit tun soll.«
    »Tatokala, es ist wahr, daß ich Ken gebeten habe, dich nicht wegzunehmen, weil der Boden unseres Lebens unser Stamm und unser dürres Land ist. Wir brauchen dich hier, gerade dich. Auch ich habe mich entschlossen, das zu tun, was unser Stamm von mir erwartet.«
    »So denkst du. Du denkst hart und wirklich wie Inya-he-yukan.«
    Hugh Wasescha ließ sich ins Gras nieder. Tatokala setzte sich zögernd.
    »Tatokala, wenn der Sommer vorüber sein wird, wenn die Tage kurz und die Nächte lang werden, wenn der Sturm heult und der Schnee fällt, werde ich zu Ken und zu der Felseninsel fahren, die er und seine Freunde für das indianische Volk zurückholen. Ich gehe dorthin, und wenn mein Stamm es will, gehe ich im Schmuck der Adlerfedern. Aber ich bleibe nicht dort.«
    »Wasescha! Kennst du die Insel?«
    »Sie heißt Alcatraz.«
    »Darfst du mir mehr davon sagen?«
    »Die weißen Männer wußten nichts als ein schlechtes Gefängnis daraus zu machen, und als die Schande dieses Gefängnisses zu weit bekannt wurde, ließen sie es leer stehen, und die Felseninsel verödete ganz.«
    »Hast du die Insel gesehen?«
    »Ich habe sie in der Bai liegen sehen, als ich in San Francisco war. Einsam und unzugänglich liegt das Eiland da, und niemand darf es betreten. Es ist von Wirbeln und gefährlichen Strömungen umgeben, vom Schmutzwasser des Hafens umspült, von Nebeln umzogen, von einem einzigen Wächter bewacht.«
    »Ken und seine Freunde können es einnehmen.«
    »Sie werden das wagen. Ich glaube daran, daß sie es vermögen.«
    »Und sie bleiben dort? Gibt es dort Wild und Beeren?«
    »Tatokala, es gibt dort weder Wild noch Früchte, noch Korn, noch Fische; nicht einmal Quellen gibt es.«
    »Dorthin wollen unsere Brüder?«
    »Die Insel soll ein Zeichen werden, ein Platz, wo wir einmal frei atmen dürfen, wo die Fesseln, die wir von Kind an tragen müssen, einmal von uns abfallen. Wo wir einmal der ganzen Welt sagen dürfen, was das für uns heißt, Indianer sein. Leben können unsere Brüder und Schwestern dort für kurze Zeit von unseren Spenden, aber die

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