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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Sonne so heiß wie je, der Wind brachte keine Kühlung mehr, und die Erde war trocken.
    Das Nachrichtenwesen unter den weit verstreuten Siedlungen hatte rasch gearbeitet. Schon in der Frühe erschienen die Trauergäste: Hetkala mit Iliff, Gerald, die beiden Morning-Stars, Louis und Yvonne Three. Stars, Irene Oiseda, die fünfzehn Schüler Hugh Mahans, auch alle ehemaligen Schüler aus der Seniorenklasse, die Beginner mit ihren Eltern und viele andere Stammesangehörige. Die Lehrlinge Oisedas sammelten sich auf dem Friedhof. Es fehlten nur diejenigen, die noch immer krank lagen, und jener eine, der gestorben war. Cargill, Clyde Carr und Ron Warrior waren da, auch der blinde Ed Crazy Eagle mit seiner Frau Margot. Endlich kam Eivie, abgemagert, grau im Gesicht, von schweren Selbstvorwürfen gequält. Er kam zu der Toten. Hätte er die Lebende nicht holen können – wirklich nicht? Reue war vergeblich. Es hätte keinen Platz und keine Pflegerin mehr gegeben. Jetzt erst begann die Zahl der Neuerkrankungen zu sinken.
    Elk, der junge indianische Priester, der für Tishunka-wasit-win gesprochen hatte, sprach das Gebet für Cora Magasapa. Hugh Wasescha ging stumm umher.
     
    Drei Wochen später, als die Erde über Magasapas Grab längst ausgetrocknet und wie Stein geworden war, machten sich Tashina und Oiseda auf den Weg nach New City.
    Queenie hatte Nachricht von der Museumsleiterin erhalten, die eine bestimmte Auswahl aus den Bildern und Skizzen der jungen Malerin erbat; die Liste war beigefügt. Die beiden Frauen kamen vormittags Punkt 10 Uhr bei dem Museum an, das in dem kleinen Park an der Hauptstraße nicht abgelegen, aber doch versteckt war und auch an diesem Tag nur wenig besucht wurde.
    Die Räume, alle künstlich erleuchtet, mit gefilterter Luft gefüllt, ließen keinen Straßenlärm ein, und die Sammlungen aus vergangener Zeit wirkten wie eine andere Welt; das gegenwärtige New City schien damit nichts mehr zu tun zu haben, obgleich über dreitausend Nachkommen jener Männer und Frauen dort lebten, deren Großväter solche Werkzeuge gehandhabt, solche Kleidung getragen, in solchem Zelt gelebt, mit solchen Waffen gejagt und gekämpft hatten. Miss Green hatte neben den Sammlungen indianischer Kultur auch die Zeugnisse aus dem Leben und Kampf der weißen Pioniere und Landnehmer von ihren Vorgängern übernommen und in einem besonderen Raum ausgestellt.
    Lucie Green empfing ihre beiden Besucher freundlich, sehr reserviert, und sie sprach bei weitem nicht so lebhaft, wirkte nicht so eindrucksfähig wie bei ihrer ersten Begegnung mit Irene Oiseda in den Räumen der Kunsthandwerkschule auf der Reservation. Doch zeigte sie Verständnis für Queenies Arbeiten und für die Stücke, die Oiseda mitgebracht hatte, und plante mit den beiden Indianerinnen die zweckmäßige Anordnung einer kleinen Ausstellung, für die noch freie Wände in der Eingangshalle des Museums zur Verfügung waren. Sobald alles abgesprochen war, holte sie die alte Indianerin, ihre Angestellte und Hilfskraft, herbei.
    »Ich gehe in einer Woche in Urlaub«, bemerkte Lucie Green und setzte sehr zurückhaltend, abwehrbereit gegen alle etwaigen Fragen, hinzu: »Ich komme voraussichtlich nicht nach New City zurück, sondern gehe an das große Museum von Philadelphia, an dem eine Mitarbeiterin gesucht wird. Meine Stelle hier ist also neu zu besetzen, und ich wollte Sie, Missis Goodman, darauf aufmerksam machen. Sie wären dafür die geeignete Person.«
    Irene und Queenie waren gleichermaßen überrascht, ohne das zu zeigen. Irene Oiseda zögerte mit der Antwort.
    »Miss Green – ich kann meine Schüler wohl nicht im Stich lassen.«
    »Auf diesen Einwand war ich gefaßt, Missis Goodman. Sie haben Zeit zu überlegen. Übernehmen Sie aber meine Ferienvertretung?«
    »Das – ja, das sollte ich nicht ablehnen.«
    »Gut, in acht Tagen. Sie können dann in dieser Zeit die geplante Ausstellung arrangieren. Im Sommer haben wir die meisten Besucher.«
    »Ja – ich – natürlich würde es mich interessieren, eine Ausstellung zu machen. Wenn Sie das wünschen und wenn die Bezirksverwaltung zustimmt.«
    »Es ist erwünscht, daß fähige Indianer bei uns mitwirken. Indianer sollen in die Verwaltung mit einbezogen werden. Der Hohe Kommissar wünscht das.«
    »Ah so. Nun, ich übernehme Ihre Urlaubsvertretung, Miss Green.«
    »Ich danke Ihnen und berichte entsprechend.«
    Man verabschiedete sich so freundlich und zurückhaltend, wie man sich begrüßt hatte.
    Lucie Green

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