WELTEN-NEBEL
Götter und unseres Glaubens zu leben? Dann gelobt es.“
„ Ich gelobe es.“ Mit diesen Worten kniete Zada nieder.
Die Oberpriesterin legte ihr die Hände auf den Kopf und sprach die rituellen Worte der Weihe. Zwei Priesterinnen traten aus dem Kreis, zogen Zada das graue Gewand über den Kopf und streiften ihr ein schwarzes über.
Zada erhob sich und wurde von Yerina umarmt. Die Oberpriesterin küsste ihre Stirn. Danach traten die anderen Priesterinnen heran. Eine nach der anderen schloss sie in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, um sie im Kreise der Priesterinnen willkommen zu heißen. Damit war die Weihe abgeschlossen. Zada blieb jedoch nicht viel Zeit, die Ereignisse auf sich wirken zu lassen, denn sogleich wurden die Tempeltore geöffnet, um die Gläubigen einzulassen, die der Zeremonie zur Wintersonnenwende beiwohnen wollten.
Bisher hatte sie stets nur als Beobachterin an diesem Ritual teilgenommen, Anwärterinnen hatten keine aktive Rolle dabei. Daher war es schon etwas Neues für sie, obgleich sie es schon sechs Mal erlebt hatte.
Zu Beginn umrundete eine jede Priesterin den Heiligen Würfel und berührte alle sechs Seiten. Da sie die Jüngste war, war sie als letzte an der Reihe. Kaum hatte sie die sechste Seite berührt, ging ein Raunen durch den Tempel. Zunächst war sie irritiert, doch dann warf sie einen Blick auf den Würfel. Wo bisher nur glatte Flächen gewesen waren, zeigten sich nun seltsam fremdartige Zeichen, die die komplette Oberfläche bedeckten.
Die Oberpriesterin hob die Arme und bat um Ruhe. Das Ritual würde wie gewohnt fortgesetzt werden. Offensichtlich hatten die Götter ihnen ein Zeichen gesandt, dies wäre jedoch nicht die Zeit, es zu ergründen. Diese Nacht diente dem Dank an die Götter für ihre Güte.
Yerina war klar, dass gerade etwas Bedeutendes geschehen war. Dennoch hielt sie es für besser, die Zeremonie nicht zu unterbrechen. Sie wollte nicht noch mehr Verunsicherung bei den Gläubigen schüren. Eine Untersuchung würde bis zum Morgen warten müssen. Sie hoffte, dass die Veränderung dauerhaft war.
Am Morgen konnte sie es kaum erwarten, bis alle Gläubigen den Tempel verlassen hatten. Leider ergab die anschließende Untersuchung des Würfels nur wenig. Keine der Priesterinnen konnte einen Sinn in den fremden Zeichen entdecken. Auch die Befragung Zadas, unter deren Berührung die Symbole erschienen waren, ergab keine Anhaltspunkte. Zada hatte nichts Außergewöhnliches gespürt.
Yerina entließ die Priesterinnen in die wohlverdiente Ruhepause und blieb alleine im Tempel zurück. Immer wieder umrundete sie den Würfel, berührte die von den fremden Zeichen durchzogenen Flächen. Sie versuchte, eine Regelmäßigkeit zu entdecken. Tatsächlich gab es nur eine begrenzte Anzahl von Zeichen, die sich immer wiederholten. Bisweilen gab es auch Gruppen von Zeichen, die mehrfach auftraten. 'Wie Buchstaben!', schoss es ihr durch den Kopf. Demnach waren die Zeichen eine Schrift, die jedoch nichts mit der in Cytria verwendeten gemein hatte. Warum schickten die Götter ihnen eine Nachricht in einer fremden Schrift? Und was hatte Zada damit zu tun? Schließlich war sie es gewesen, die die Schrift hatte erscheinen lassen.
Yerina war so in Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, dass sie nicht länger allein war.
Obgleich sie zunächst mit den anderen Priesterinnen den Tempel verlassen hatte, war sie nach einer kurzen Pause und Stärkung dahin zurückgekehrt. Die seltsamen Zeichen hatten Zada keine Ruhe gelassen. Bei ihrer Befragung hatte sie nicht alles gesagt. Zwar hatte sie beim Berühren des Würfels wirklich nichts gespürt, aber als sie am Morgen die Zeichen betrachtet hatte, so waren sie ihr seltsam vertraut vorgekommen. Was immer da vor sich ging, es hatte etwas mit ihr zu tun. Jedoch konnte sie nicht genau sagen, worin die Verbindung bestand. Deshalb wollte sie den Würfel noch einmal in Ruhe betrachten. Als sie den Tempel betrat, hielt sie ihn zunächst für leer. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte sie Yerina, die gedankenverloren auf den Würfel starrte. Vorsichtig näherte sie sich, um die Oberpriesterin nicht zu erschrecken. Jetzt schien diese Zada entdeckt zu haben. Sie nickte Zada kurz zu. Dennoch sprach sie sie nicht an, als Zada sich dem Würfel näherte und mit den Händen über die Zeichen strich. Das Gefühl der Vertrautheit verstärkte sich. Ohne es zu merken,
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