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Weltraumpartisanen 07: Testakte Kolibri

Weltraumpartisanen 07: Testakte Kolibri

Titel: Weltraumpartisanen 07: Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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schwarze Haar zurückgeworfen, mit schweißnassem, entrücktem Gesicht vor uns stand und die alten, alten Lieder spielte: von Abschied und Wanderung, vom schmerzhaften Glück des Zigeunerlebens, von einsamen Lagerfeuern in der Steppe und von der Erde, die unter den Füßen singt. Generationen trennten ihn von dieser Welt seiner Vorfahren - aber ihr schwermütiges Erbe lebte in seinem Blut.
    Anschließend begleitete ich Harris hinaus zum Start. Noch immer flog er seine Maschinen selbst. Daß er nur noch einen Arm hatte, schien ihn nicht zu stören. Er reichte mir seine linke Hand.
    »Ich wäre gern noch geblieben - aber die Pflicht ruft mich zurück. Es freut mich, daß sich die Stimmung gebessert hat. Sagen Sie Romen - es war mir ein besonderer Genuß.«
    Es kam nicht oft vor, daß John Harris ein lobendes Wort verlor. Er war ein Mann, wie man ihn nur selten antrifft: hart zu sich selbst, streng zu seinen Untergebenen, aber durch und durch unbestechlich und gerecht. Damals, als er noch Commander gewesen war, hatte ich eine Zeitlang unter ihm gedient, als Pilot der Delta VII. Seither maß ich alles, was ich tat, an seinem Vorbild.
    Bevor er seine Diana bestieg, drehte er sich unvermittelt noch einmal nach mir um.
    »Brandis, wir wollen uns nichts vormachen. Im Augenblick läuft alles glatt und reibungslos. Aber der Wurm steckt noch drin. Wenn Sie ihn nicht finden und ihm den Hals umdrehen, ist alles, was wir hier tun, vergeblich.«
    Harris flog ab. Ich kehrte noch für ein paar Augenblicke zu meinen Piloten zurück. Gegen dreiundzwanzig Uhr sagte ich dann gute Nacht und begab mich zur Ruhe.
    Anfangs konnte ich nicht einschlafen. Harris’ Worte hallten in mir nach. Die Stimmung mochte sich gebessert haben, aber die Sicherheit, in die wir uns einwiegten - ich nicht weniger als die anderen -, war trügerisch. Früher oder später mußte es wieder geschehen. Wen von uns würde es treffen? Mich vielleicht? In weniger als zwölf Stunden startete ich mit Vidals Nummer Zwei. Wo steckte dieser Wurm? Olsburg hatte gut reden. An ein Abliefern war erst zu denken, wenn die fatale Unfallserie ihre Klärung gefunden hatte.
    Nachts fuhr ich plötzlich hoch.
    Irgendwer schrie - ein Mensch in höchster Todesangst.
    Ich hatte nicht geträumt.
    Ich streifte mir ein paar Sachen über und stürzte hinaus.
    Die Schreie kamen aus der benachbarten Baracke. Ich drückte die Tür auf und machte Licht.
    Manuel Vargas wälzte sich in seinem Bett und schrie. Erst als ich ihn schüttelte, hörte er damit auf. Er wurde wach und setzte sich hin. Gesicht und Haar waren naß vor Schweiß, und in seinen Augen nistete noch immer das Grauen.
    »Brandis. Was gibt’s?«
    Er erinnerte sich nicht. Er war nur verwundert, mich um diese Stunde vor seinem Bett zu sehen.
    »Schon gut«, sagte ich. »Wir unterhalten uns morgen. Schlafen Sie jetzt.«
    Draußen glomm eine Zigarette. Henri Vidal lehnte an der Barackenwand.
    »Vargas!« sagte er. »Es hat ihn wieder mal gepackt. Machen Sie sich nichts daraus, Brandis. Das kommt und geht.« »Was kommt und geht?« Ich gab Vidal ein Zeichen, er möge mich begleiten. Seite an Seite überquerten wir den Platz.
    »Seine Anfälle. Wußten Sie nichts davon?«
    »Nein.«
    »Es hat nichts weiter auf sich. Dann und wann muß er die Angst aus sich ‘rausschreien. Wir haben uns längst daran gewöhnt.«
    »Was für eine Angst?«
    »Was weiß ich?« Vidal schnippte die Zigarette fort. »Es heißt, es hat ihn im Bürgerkrieg erwischt. Die von der Dritten Abteilung - Sie erinnern sich? - haben ihn in Dunkelhaft gehalten, ein halbes Jahr lang oder mehr. Seitdem pflegt er manchmal durchzudrehen, wenn’s dunkel wird.«
    Ich hörte zum erstenmal davon.
    »Ich verstehe nicht, Vidal. Vargas ist flugtauglich geschrieben.«
    Vidal lachte in sich hinein.
    »Die Ärzte! Wenn die nicht dann und wann durch die Finger sehen würden, mein lieber Commander, dann hätten Sie hier bald nicht einen einzigen flugtauglichen Piloten mehr.«
    Wir waren vor meiner Baracke angelangt und blieben stehen. Im blutlosen Licht des Mondes leuchtete Vidals rotes Halstuch.
    »Was deuten Sie damit an?«
    Vidal hob die Schultern.
    »Was ich damit andeute? Brandis, haben Sie denn keine Augen im Kopf? Das hier ist das reinste Sanatorium, eine einzige große Klapsmühle. Keine geschniegelten und ehrfurchtgebietenden Piloten, denen man eine Delta VII oder eine Hermes anvertraut. Das hier sind die Glücksritter der Neuzeit - Testpiloten, die verrückt genug sind, mit

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