Weltraumpartisanen 07: Testakte Kolibri
Hintertreffen zu geraten.
Jeden Tag fragte ich auf VEGA-Metropolis nach. Der Befund, auf den ich sehnlichst wartete, lag noch nicht vor. Aus den Trümmern der Nummer Eins die Ursache der Katastrophe
- und damit aller anderen, die dieser vorausgegangen waren -herauszulesen gestaltete sich offenbar schwieriger und zeitraubender, als ich es erwartet hatte.
Der Wurm, der im Projekt saß, war noch nicht gefunden, und so gingen die Versuche im alten Gleis weiter: ein Flug zum Mond - eine Inspektion - das Beziehen der Sollposition - die submarine Flugphase - der Rückstart zum Camp. Obwohl die Wahrscheinlichkeitsrechnung dafür sprach, daß mit einer größeren Anzahl von Kolibris auch die Unfallquote ansteigen würde, ereigneten sich volle zehn Tage lang keinerlei Zwischenfälle.
Mein gesundheitliches Befinden besserte sich von Tag zu Tag, was mich der Notwendigkeit enthob, noch einmal in das Krankenhaus von Veracruz zurückzukehren. Ich betrachtete mich als geheilt - eine Eigenmächtigkeit, die ich nur vor mir selbst zu verantworten hatte.
Aus irgendeinem Grund bildete ich mir ein, der Wurm wartete nur darauf, daß ich dem Camp den Rücken kehrte, um uns erneut einen seiner mörderischen Streiche zu spielen. Und noch etwas sprach bei meiner Entscheidung mit: Ich wollte dabeisein, wenn man ihn zur Strecke brachte und für all das büßen ließ, was er uns angetan hatte.
Von jenem nüchternen Mann und erstklassigen Commander, dem Harris die Projektleitung anvertraut hatte, war nur noch der Ruf geblieben. In Wirklichkeit war ich vom Camp und seiner krankhaften Atmosphäre längst angesteckt. Mein Tick war dieser Rachefeldzug.
Zwei Starts waren für diesen Tag vorgesehen. Romen startete um acht Uhr mit seiner Nummer Sieben ; ich selbst hatte mich mit der Nummer Vierzehn für den Nachtstart eingetragen: nach langer Unterbrechung mein erster Flug.
Die Sieben war klar. Osburg und seine Mechaniker hatten ihre Arbeit bereits getan.
Es war ein angenehmer, kühler Morgen. Der Tau, der in der Nacht gefallen war, netzte noch den Sand. Der Wind hatte sich gelegt, und die See war glatt und friedlich. Jedesmal, wenn sie Atem holte, ging ein dumpfes Dröhnen durch die Luft.
Ich brachte Grischa Romen bis zum Einstieg. Er war ausgeruht und gut gelaunt, wie er davor noch einmal stehenblieb und zum Mond aufblickte, der gerade noch schwach zu sehen war.
»Weiß Gott«, sagte er, »und unter diesem alten Staubfänger habe ich mich einmal verlobt. Es ist nicht zu fassen!«
»Machen Sie ihn nicht schlechter, als er ist«, gab ich zurück. »Nachts ist er ein ganz sympathischer Bursche - und in Las Lunas gibt es hübsche Mädchen.«
»In Las Lunas möchte ich einmal aufspielen, Sir - nur so, zum Spaß. Vielleicht weil mein Großvater immer gesagt hat: >Ein echter Zigeunerprimas spielt überall, wenn’s sein muß, auch auf dem Mond!< Er selbst ist leider nicht mehr dazu gekommen.« Romen blickte auf die Uhr. »Na ja, der Tag wird kommen. Wenn wir mit diesem Projekt durch sind, haue ich da oben mal mächtig auf die Pauke.«
Er drückte mir kurz die Hand und ging an Bord. Die Schleuse rastete ein. Ich setzte mich in den Transporter und fuhr ihn aus der Gefahrenzone.
Die Nummer Sieben hob ab. Ich folgte ihr mit meinen Blik-ken, bis sie in der Bläue des Himmels entschwunden war. Dann fuhr ich zu der üblichen Morgenkonferenz hinüber zur Werft.
22.
Um 22 Uhr hob auch ich ab. Ich hatte mich für die Nummer Vierzehn entschieden, die sonst von einem meiner neuen Piloten geflogen wurde. Es war mein sechsundzwanzigster Start mit einem Kolibri.
Die Nacht war sternklar. Kaum daß ich abgehoben hatte, tauchte ich ein in die unwandelbare Welt der kreisenden Himmelskörper, in der eine Jahrmillion so spurlos verwehte wie anderswo ein Tag.
Eine Viertelstunde nach dem Start verließ ich die Umlaufbahn um die Erde und ging ohne jede weitere Verzögerung auf lunaren Kurs. Eine Weile lang noch fühlte ich mich schmerzhaft in den Sitz gepreßt, dann war die Reisegeschwindigkeit erreicht, und ich rief ein letztes Mal Kolibri -Tower. Danach war ich mit meinen Gedanken unter den Sternen allein.
Der Mond war noch nicht zu sehen, aber zur festgesetzten Minute würde er vor meinem Cockpit auftauchen - ein großer, verstaubt wirkender Lampion: eine Wüste, in der man hier und dort noch die Spuren der ersten Eroberer vorfand, der Amerikaner und Russen des 20. Jahrhunderts. Hundert Jahre hatten nicht gereicht, um diese Spuren erster, verwegener
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