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Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Titel: Weltraumpartisanen 29: Zeitspule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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– und die ganze Zeit über war er seinen Peinigern um eine wichtige Erkenntnis voraus gewesen. Wie immer ihm dieser zusätzliche Abruf gelungen war – ob durch Akribie oder durch Zufall – er war ein historisches Dokument, mit dem man jede Geschworenenjury überzeugen konnte.
    Der Schauplatz dieses zusätzlichen Spektakels war ein Operationssaal für plastische Chirurgie. Auf dem Metalltisch festgeschnallt, lag eine halb zugedeckte männliche Gestalt, die die Züge von Sir Oleg trug. Ein maskierter Chirurg war damit beschäftigt, dem Gouverneur der Venus das Gesicht abzulösen.
    Auf dem benachbarten Operationstisch lag, gleichfalls festgeschnallt, aber bei vollem Bewußtsein, der Empfänger.
    Der Chirurg, das abgetrennte Gesicht in den Händen, wandte sich ihm zu.
    »Sie werden gleich für eine Weile einschlafen, Colonel. Und wenn es Ihnen recht ist, werde ich bei der Gelegenheit gleich auch die Stimmbänder auswechseln. Die Stimme ist ein wichtiger Identifikationsfaktor.«
    Der Angesprochene nickte zustimmend.
    »Ich verlasse mich völlig auf Ihre Erfahrung, Doktor. Sobald ich die Klinik verlasse, will ich Sir Oleg sein. Also, fangen Sie an!«
    Als ich begriff, was geschah, überlief mich ein kaltes Schaudern. Der Mitschnitt, entlarvte ein nahezu perfektes Verbrechen. Er zerrte ans Licht, wie sich der gefährlichste Politkriminelle der EAAU in eine neue, durch Mord erworbene Körperlichkeit flüchtete.
    Die Tarnung war perfekt gewesen. Gewiß. Doch kein Mensch kann seine innere Identität ändern. Chemnitzers Rückfall in die Ursprünglichkeit hatte aus seiner Eitelkeit bestanden. Er war sich der neuen Haut so sicher gewesen, daß er es nicht einmal für nötig befunden hatte, die Marke seines Rasierwassers zu wechseln. Immer wieder war es dieser Duft gewesen, der durch die Nebel meiner Erinnerungen zog, im vergeblichen Bemühen, sich zu Bildern zu ballen. Und bei diesem vergeblichen Bemühen wäre es geblieben.
    Wie war Professor Smirnoff dazu gekommen, diesen unbestellten Abruf vorzunehmen? Es gab nur eine Erklärung. Ich selbst hatte ihm mittels des TV-Streifens über die sogenannte Gibraltar-Konferenz des Jahres 2078 die sachliche Vergleichsprobe auf die Plattform geschafft. Gregorius war auf dem Filmstreifen zu sehen gewesen, aber auch der Colonel. Und Smirnoffs Zeitspule hatte sich in Bewegung gesetzt.
    Und nun war eine Lawine ins Rollen gekommen.
    Die Geschichte mußte umgeschrieben werden – wenn auch nicht unbedingt die der alten Griechen. Aber die des Staatsstreichs, der bald nach der Gibraltar-Konferenz stattfand, bedurfte dringend eines ergänzenden Kapitels. Chemnitzer hatte die Meuterei der MOBs überlebt. Auf der TV-Platte begann unter den Händen eines gewissenlosen Chirurgen ein falscher Sir Oleg Gestalt anzunehmen.
    Ich kannte ihn in seiner früheren Gestalt. Unsere Wege hatten sich wiederholt gekreuzt – und nie im Guten. Als er zum ersten Mal in mein Leben trat, anläßlich des verhängnisvollen Kilimandscharo-Ausbruchs im Jahre 2076, hatte er sich schon ein paar mal gehäutet gehabt: von Felix Chesterton, Sachverständiger für Erdbewegungen, zu Fabricius Chilparich, Vulkanologe, und über Ferdinand Chauliac, Geologe, zum Colonel einer Pioniereinheit namens Friedrich Chemnitzer.
    Und dann hatte er sich mit Erdarbeiten im kleinen nicht länger aufhalten wollen und gleich nach dem ganzen Planeten gegriffen.
    Der Putsch war gescheitert, aber Chemnitzer war davongekommen und hatte im geeigneten Moment erneut nach der Macht gegriffen, diesmal auf der Venus. Die Zeitspule gab sein Geheimnis preis: wie er sich durch ein beispielloses Verbrechen in die Haut des rechtmäßigen Gouverneurs verkroch, um wie die Spinne im Netz auf seine große Stunde zu lauern. Um ein Haar wäre sein Plan aufgegangen: mit der Großen Katastrophe als Wegbereiter und dem Gregorius-Weizen als Waffe.
    Die Aufzeichnung endete damit, daß der falsche Sir Oleg aus dem Operationssaal gerollt wurde, während im Vordergrund sich der Chirurg die Hände wusch. Präsident Hastings Stimme fiel in das lastende Schweigen, das auf die Vorführung folgte.
    »Wußten Sie davon, Commander?«
    Ich überwand meine Betroffenheit. Im Geist verneigte ich mich vor meinem alten Lehrer.
    »Nein, Exzellenz. Professor Smirnoff drückte mir die Kassette in die Hand, ohne weitere Erklärungen abzugeben. Dazu fehlte die Zeit.«
    Der Präsident quetschte meine Schulter.
    »Ich glaube, das Ultimatum der Venus können wir jetzt vergessen. Sir Oleg –

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