Weltraumpartisanen 30: Die Eismensch-Verschwörung
Konferenzschaltung herstellen lassen, die ihn mit allen Arbeitsstationen der gewaltigen Anlage verband, und den Monteuren noch einmal gesagt, was er von ihnen erwartete: »Heute Nachmittag werden die Menschen auf der Erde ihre Blicke zum Himmel erheben. Und wir, Leute, werden sie nicht im Stich lassen, sondern das verdammte Ding zuschalten. Das Material für den Sektor Vier ist in Anmarsch. Ihr habt acht Stunden Zeit …«
Seebeck nahm sich vor, zur gegebenen Zeit anzumerken, daß es sich um die bündigste Ansprache seit Napoleons flammender Rede vor den Pyramiden und seit Nelsons klassischen Worten vor Trafalgar gehandelt habe.
Er starrte dem entschwindenden Scooter nach.
Brandis ließ es sich nicht nehmen, die vereinigte Armee der Monteure selbst in die letzte entscheidende Schlacht zu führen.
Als Seebeck sich irgendwann abwandte, entdeckte er die nahende Rapido.
Als Brandis in die Zentrale zurückkehrte, war es kurz vor 16.00 Uhr, und er konnte sagen, daß die Schlacht um den Sektor 4 gewonnen war. Damit hatte Intersolar endgültig aufgehört, eine Baustelle zu sein. Die Anlage war überholt, auf den erforderlichen technischen Stand gebracht und konnte in Betrieb genommen werden.
In der Kleiderkammer klappte Brandis zusammen. Als er zu sich kam, hockte er auf den Flurplatten und wußte nicht, woher er die Kraft nehmen sollte, um aus der verfluchten Raumkombination herauszukommen. Er hatte alles getan, alles gegeben, und nun war er so erledigt, daß er einfach nicht mehr hochkam, um die Sache zu Ende zu führen.
Ein Lautsprecher, der ihn zu rufen begann, brachte ihn schließlich wieder auf die Füße. Er schälte sich aus dem Anzug und machte sich durch das überdachte Labyrinth der Schwerelosigkeit auf den Weg zum Leitstand.
Dort befanden sich die Mitarbeiter des Projekts, die mit der eigentlichen Zuschaltung zu tun hatten, bereits auf ihren Posten. Auf den Monitoren flimmerten die Testbilder, und aus den Lautsprechern rieselte die monotone Litanei der Sprechproben.
Morales verließ sein Pult.
» Groß-M hatte gerade angefragt, ob wir den Fahrplan einhalten können, Commander.«
Morales – Brandis spürte es – war in einer ähnlichen Verfassung wie er selbst. Was ihn im Augenblick zusammenhielt, war die enorme Spannung, unter der er stand. Der Projektleiter hatte seine Schuldigkeit getan – nun war der Erste Ingenieur am Zuge.
»Lassen Sie Groß-M wissen – wir sind so weit. Alle Sektoren sind klar.« Brandis sah sich um. »Ich würde Leo Hauschild gern die Hand schütteln.«
Morales winkte ab.
»Er will noch eine Viertelstunde ruhen, bevor der Zirkus mit dem Countdown losgeht. Aber wenn Sie sich umdrehen …«
Brandis wandte den Kopf.
Zusammen mit dem jungen Chesterfield saß Ruth in der Ecke, und das spiegelnde Modell der Anlage entzog sie dem flüchtigen Blick.
»Sie kam mit der Rapido«, sagte Morales. »Vielleicht war es ein Fehler, daß ich ihrem Wunsch nicht entsprochen habe, Sie zu verständigen, Sir – aber ich dachte in Ihrem Sinn zu handeln.«
Brandis gab keine Antwort. Er ließ Morales stehen – und gleich darauf wurde er geschüttelt von jenem Schluchzen der Erleichterung, mit dem sich Ruth O’Hara an seine Brust warf.
»Oh, Mark!«
»Ruth!«
Sie klammerte sich an ihn.
Jetzt wird alles gut, Mark.«
»Natürlich.«
Er streichelte ihren bebenden Rücken. Sie suchte nach Worten.
»Ich mußte kommen, Mark. Verstehst du? Es gab keine andere Möglichkeit, dich zu warnen. Alle sind hinter mir her. Ich wußte zuletzt gar nicht mehr, wem ich noch trauen kann.«
Brandis’ Hände sprachen ihr Trost zu.
»Still, Ruth!« sagte er. »Sei ganz ruhig. Du bis jetzt auf Intersolar. Und glaube mir: Niemand ist hinter dir her, um dir etwas Böses anzutun. Wenn man auf der Venus nach dir sucht, dann nur um dir zu helfen. Doktor Geronimo hat mit mir gesprochen.«
Er spürte, wie Ruth in seinen Armen steif wurde.
»Doktor Geronimo hält mich für verrückt. Er …«
Ein Lautsprecher dröhnte los mit der Aufforderung zum letzten Schalt-Check.
Der Countdown stand bevor, jener große Augenblick, der über die Zukunft der Erde entschied und über das Wohl und Wehe ihrer Bewohner, und für eine private Szene war das sowohl ein denkbarer schlechter Moment als auch ein unpassender Ort.
Brandis fühlte sich hin und her gerissen von der Aufgabe, die in den nächsten Minuten zu Ende geführt werden mußte, und seiner Liebe zu dieser Frau, die mehr denn je seiner bedurfte – in diesem
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