Weltraumschwimmer
Pat, ehe Johnny selbst antworten konnte. „Ich möchte, daß er sich persönlich mit einem Raumschwimmer unterhält. Sie haben doch einen für ihn, nicht wahr, Leif?“
Es war nicht eine Frage, sondern eine Feststellung. Zum erstenmal hörte Johnny aus Pats Stimme Befehlsgewalt.
9.
Leif nickte. „Ja, wir haben uns gerade an einen der großen Blauen gehängt. Es befinden sich außerdem noch ein paar in Reichweite der Haupteinheit, falls dieser sich zurückzieht.“ Er führte sie durch das Labyrinth von Gerät schaften zu einer Schleusentür mit einer doppelten Ma gnetiris und einer Druckkammer dazwischen. Er deutete durch die transparente Wand.
„Beobachten Sie den Tank“, wandte Leif sich an Johnny. „Jetzt!“ rief er über die Schulter zurück.
Vor Johnnys Augen verwandelte sich die Dunkelheit des Wassers in die sternenübersäte Finsternis des Raumes. Johnny spürte ein wenig derselben Aufregung in sich, die ihn vor zehn Jahren mit anderen Seegeborenen seiner Drittgeneration den Ruf von Ebberlys Raumakademie hatte folgen lassen.
Von wo er stand, sah es aus, als blicke er in eine ku gelförmige dunkle Höhle, mit Lichtern in allen Farben an der Wand verstreut – eine Höhle mit einer unsagbar fernen, kleinen kreisrunden Tür ins Tageslicht, das die zu einer Münze geschrumpfte Sonne war. Etwas bewegte sich in dieser Höhle. Es verdeckte die Lichter auf einem Teil der Wand. Im Näherkommen sah es aus wie eine fledermausförmige Schwärze, die jedoch auf phantastische Weise anschwoll und bläuliche Farbe annahm, bis sie zusammengefaltet – so zumindest sah es aus – mit schwachen, wallenden Bewegungen jenseits der Wand hing. Es war ein gewaltiges blaues Feld aus energetisiertem Gas – ein lebendes Gas, das wie feinstes Seidengespinst mit phosphoreszierendem Glitzern aussah.
Diese Gestalt brachte Johnny eine weitere Erinnerung zurück, an die Zeit, als er sich mit fünfhundert Kadetten der Raumakademie dichtgedrängt im Ausbildungsschiff jenseits des Marsorbits befunden hatte. Sie hatten zugesehen, wie die Raumschlitten mit ihren Lehrer-Navigatoren das magnetische Feldnetz über einen Schwimmer von etwa der Größe dieses Wesens hier geworfen hatten. Das war vor etwas mehr als sechs Jahren gewesen.
Den damaligen Schwimmer hatte er nicht so nahe gesehen. Aber er entsann sich mit einem plötzlichen Verkrampfen seines Herzens, wie er sich gekrümmt hatte, wie er zusammenschrumpfte, dunkler wurde und schließlich starb. Er erinnerte sich, wie etwas in ihm dagegen aufbegehrt und dieses sinnlosen Todes wegen geweint hatte – und alle Seegeborenen in dem Trainingsschiff hatten reagiert wie er. Als sie danach in die Raumakademie zurückkehrten, waren alle einmütig bereit gewesen, die Akademie zu verlassen. Die Konsequenzen waren bekannt.
Johnny straffte die Schultern. Obgleich er es selbstverständlich besser wußte, erwartete er unwillkürlich, den Schwimmer vor seinen Augen schrumpfen und sterben zu sehen. Aber er hing unberührt, wie wallender Stoff in der Dunkelheit. Nur der Wechsel der Lichter an der scheinbaren Höhlenwand verriet, daß er sich gleichmäßig vorwärts bewegte.
Johnny blickte erstaunt auf das winzige Metallinstrument, das Leif ihm in die Hand gedrückt hatte. Es sah aus wie eine Motte mit den Schleierflügeln im 45-Grad-Winkel vom ovalen Körper ausgestreckt.
„Wir haben eine Robothaupteinheit hinter dem Mars“, sagte Leif gerade. „Sie schickt kleine Empfänger wie diese ‚Motte’ hier aus, holt sie zurück und wartet sie. Eine folgt gerade dem Schwimmer, dessen Projektion Sie im Tank sehen. Die Empfänger benutzen einen Hochschubionenantrieb, der gewöhnlich bei der Schwimmergeschwindigkeit nach einer halben Stunde bereits ausgebrannt ist. Doch dann übernimmt ein neuer Empfänger. Er speichert das Bild des Schwimmers und überträgt es auf die Haupteinheit. Und er kann Bilder um sich selbst projizieren – so wie die des Schwimmers, den Sie durch eine fliegende Einheit auf Ihrem Weg hierher über den Eukalyptusbäumen projiziert gesehen haben. Und natürlich entstanden auf diese Weise auch die Projektionen über den größeren Städten in letzter Zeit. Die Haupteinheit sendet Schwimmerprojektionen zu einer Relaisstation im Marsorbit, diese wiederum zu einer weiteren in der Erdumlaufbahn, und von dort zu uns hier.“
Johnny blickte auf die Schwimmerprojektion im Tank. „Wieviel Zeit geht bei der Übertragung verloren? Wann machte der Schwimmer, beispielsweise,
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