Weltraumschwimmer
die Bewegungen, die ich jetzt sehe?“
„Vor etwa fünf Sekunden.“ Leif lächelte. „Sie dachten vermutlich an Stunden, nicht wahr? Aber die Übertra gung erfolgt durch Laserstrahlen mit einer Geschwindigkeit von zweihundertsiebenundneunzigtausendsechshundert Kilometer pro Sekunde. Wenn Sie sich jetzt in den Tank begeben, wird der Schwimmer, fünf Sekunden nachdem Sie ins Wasser gestiegen sind, Ihr Bild im Raum neben sich sehen.“
„Setz das auf.“ Pat drückte Johnny eine kleine Kappe aus Kupfer mit Schaumstoffrand in die Hand. An ihrer Stirnseite glühte ein rubinfarbiger Kristall.
„Das hier“, erklärte Leif und tupfte an den Stein, „ist das Neueste in Kristallographie. Es ersetzt die alten, aus den Telemetrieexperimenten an Tieren entwickelten Kontrollkappen. Der Kristall macht die Drähte unnötig, die operativ in das Gehirn hatten eingesetzt werden müssen. Er überträgt die Information an das Gehirn und empfängt seine elektrischen Impulse. Er leitet sie durch unseren Sender hier an die Haupteinheit weiter, die die ‚Motten’ zur Beobachtung des Schwimmers ausschickt und lenkt. Und diese Empfänger wiederum gehorchen Ihren Gehirnimpulsen, Sie so an den Schwimmer heranzubringen, wie Sie es haben möchten.“
Johnny setzte sich die Kappe auf den Kopf. Der Schaumstoffrand schloß sich dicht um den Schädel.
„Hier ist eine Wasserlunge und Flossen“, sagte Pat. „Und eine Magnethülle.“
Ein paar Sekunden später tauchte Johnny durch die innere der doppelten Magnetiris. Er wußte, daß der plötzliche Druck von etwa sieben Meter Wassertiefe auf ihn eindrang, aber im Schutz der Magnethülle wurde dieser Druck im rechten Winkel zu seiner Körperoberfläche abgeleitet. Er spürte nur das Streicheln des kalten Wassers gegen seine Haut.
Gleich darauf tauchte er in dem Tank, in dem der Raumschwimmer nicht sichtbar war. Dann, von einer Sekunde zur anderen, schwamm er nicht länger, sondern schoß durch die Höhle aus Dunkelheit, den Sternenpunkten und der Sonnenöffnung, die er von außerhalb des Tanks gesehen hatte. Er wandte den Kopf und blickte auf die wallende, eine halbe Meile breite Form des Schwimmers vor und unter ihm.
Er drehte sich um, um sich dem Schwimmer zu nähern, wie er es bei einem Meerestier getan hätte. Aber noch ehe er seine Muskeln koordinieren konnte, trieb er auf die gigantische, schillernde Schleiergestalt zu. Und schon befand er sich direkt über ihr, und ihm schien, als bedecke der gewaltige blaue Körper den ganzen Raum unter ihm.
Ein seltsames Gefühl erwachte in ihm. Zuerst glaubte er, daß das alles hier ihn an das Schwimmen im Meer erinnerte – die Freiheit der Bewegungen in alle Richtungen, nach oben, unten, links, rechts, überall hin. Das stimmte auch – aber was er empfand, war noch mehr. Es war vertraut auf eine Weise, die er nicht definieren konnte. Vertraut, aber – besser! Er suchte in seiner Umgebung nach einer Erklärung dafür, aber sie sagte ihm nichts. Er schien sich lediglich nach Impuls zu bewegen, allein durch Gedankenkraft. Er blickte durch die offenbar unendliche Leere des Raumes, und nur mit Hilfe des Sternenlichts jenseits des wogenden Rückens seines titanischen, stummen blauen Begleiters konnte er überhaupt feststellen, daß sie beide sich bewegten.
Wie schnell, oder wie langsam aber bewegten sie sich, das war die Frage. Unmöglich, es nach den funkelnden Sternen abzuschätzen. Wenn er erst wieder aus dem Tank war, konnte Leif es ihm vielleicht sagen. Doch im Augenblick interessierte es ihn nicht genug, als daß er jetzt gefragt hätte, selbst wenn er eine Möglichkeit gehabt hätte, es zu tun.
Er empfand nicht das geringste Bedürfnis, an die Menschen zu denken, die ihn von außerhalb des Tanks beobachteten. Das seltsame Gefühl in ihm war zu etwas Lebendigem angewachsen. Die Leute dort draußen waren so unwichtig, er vergaß sie und den unnatürlichen Ort voll Zwang und Druck und unaufhörlichem Existenzkampf, in dem sie lebten. Er befand sich hier in der unendlichen Weite natürlicher Freiheit.
Sein Rücken war jetzt der kleinen, so fernen Sonne zugewandt. Der Schwimmer und er ließen sie immer weiter zurück. Er näherte sich nun dem gewaltigen Teppich wallenden Blaus noch ein wenig mehr. Einen Augenblick lang, tatsächlich etwas länger als vier Sekunden, schwebte er mit konzentriertem Blick über ihm, und dann bemerkte er plötzlich die Spur eines Schattens auf dem Teil unmittelbar unter sich. Ein winziger Schatten von der Form
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