Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
Ehefrau, die klüger
war als ihr Mann, brachte nur Ärger.
James Sinclair hatte
seine Tochter nie zu einer Heirat gedrängt. Doch je weiter seine
Krankheit fortschritt, umso mehr drückte ihn die Sorge um Ravennas
Zukunft. Im Nachhinein bedauerte er seine Nachgiebigkeit gegenüber
Ravenna.
Es gab nur zwei
Personen denen James Sinclair bedingungslos vertraute. Die eine war
Ravenna, die andere ihre Kinderfrau und Mutter-Ersatz, Eliza Stanton.
Die mittellose und sehr schweigsame Soldaten-Witwe hatte kurz nach
dem Tod von Ravennas Mutter dankbar James Sinclairs großzügiges
Angebot angenommen, seine kleine, hilflose Tochter aufzuziehen. Eliza
war für Ravenna die Mutter geworden, die sie nie hatte. Die kleine
Frau war gütig, warmherzig und sehr schweigsam. Anfangs dachte
Ravenna sie sei stumm. Doch von der kleinen, stillen Frau lernte
Ravenna, dass Blicke und Gesten mehr sagen konnten, als tausend
Worte.
James Sinclair hatte
versuchte bis zum bitteren Ende jegliche Unbill von Ravenna
fernzuhalten. So war seine Tochter auch die Letzte, die erfuhr, wie
schlecht es tatsächlich um seine Gesundheit und seine Geschäfte
bestellt war. James Sinclair litt seit Jahren an Magengeschwüren,
die ihn immer öfter zwangen notwendige Handelsreisen zu verschieben.
Jüngere und skrupellosere Händler besetzten die freiwerdenden
Marktlücken und drängten den alten, geschwächten Fuchs mehr und
mehr aus dem Geschäft. Dass es aber so schlimm um seine Finanzen
stand, das hatte auch James Sinclair überrascht. Sein ehemals großes
Vermögen war bis auf einen winzigen Rest zusammengeschmolzen. Das
würde gerade noch für Ravennas und Elizas Heimreise nach England
reichen.
Aus schierer Angst
und Verzweiflung um die Zukunft seiner geliebten Tochter hatte James
Sinclair deshalb einen verrückten Plan gefasst, als die ungeliebte
Familie seiner verstorbenen Frau nach fast zwanzig Jahren wieder
Kontakt mit ihm aufgenommen hatte. Denn seit er mit Ravennas Mutter,
Lady Gillian Byam, gegen den Willen ihres Vaters, bei Nacht und Nebel
nach Indien durchgebrannt war, hatte es nur noch wenige Male Kontakt
zwischen den beiden Familien gegeben: Lady Gillian hatte ihren Vater
nüchtern über die Geburt seiner beiden Enkelkinder informiert und
James Sinclair hatte ihm mit wenigen Zeilen den Tod seiner Tochter
mitgeteilt. Auf keinen der Briefe hatte es je eine Antwort gegeben.
Für den alten Patriarchen war seine Tochter offenbar schon vorher
gestorben.
James Sinclairs tief
eingefallene Augen wanderten müde über Ravennas schönes Gesicht.
Nicht einmal Tränen und geschwollene Augen konnten ihr Engelsgesicht
entstellen. Sie sieht aus wie Gillian, als sie mit siebzehn in die
Londoner Gesellschaft eingeführt wurde und ich mich sofort in sie
verliebt habe, dachte er wehmütig .
Ravenna hatte die gleichen schweren blonden Locken, die kein Band,
kein Glätteisen bändigen konnten. Augen, die so strahlend grün
leuchteten, wie das erste Frühlingsgras in England. Und wie sie erst
funkelten wenn sie zornig waren! Ah, James Sinclair lächelte
wehmütig, sein Herz schmerzte bei dem Gedanken an Ravennas Zukunft
und was sie in England wohl erwarten würde.
Mit dünner Stimme
klärte er seine Tochter über die Ereignisse, der vergangenen Wochen
auf.
„ Vor
etwa einem halben Jahr habe ich eine Eil-Depesche aus England
erhalten in der mir mitgeteilt wurde, dass der Vater deiner Mutter,
Sir William Byam, verstorben ist und der alte Baronet sein Landgut Timbergrove seinem
einzigen legitimen, männlichen Nachkommen vermacht hat: deinem
verstorbenen Bruder Raven!“
James Sinclair hielt
inne. Sein Sohn Raven war zwar bereits seit über fünfzehn Jahren
tot, aber den damit verbundenen Schmerz hatte er bis heute nicht
verwunden. Er schluckte schwer und fuhr mit seiner Erzählung erst
wieder fort, als er sicher sein konnte, dass ihm seine Stimme wieder
gehorchte.
„ Der
einzige noch lebende Nachkomme des alten Baronet bist nurmehr du,
Ravenna!“ Er ließ diese Worte eine Weile wirken, bevor er
weitersprach.
„ Wie
wir beide wissen, sind Frauen in England nicht erbberechtigt,“
seine müden Augen bekamen einen eindringlichen Glanz „dennoch will
ich, dass du das Erbe antrittst – und zwar als Sir Raven Sinclair!“
Mit einer unwirschen Handbewegung brachte er Ravenna zum Schweigen,
als diese mit weit aufgerissenen Augen protestieren wollte. „Du
hast keine andere Wahl, Liebes. Timbergrove gehört dir. Es ist dein
rechtmäßiges Erbe. Jedenfalls mehr, als
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