Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
dass von irgendeinem
Neffen, Vetter oder Onkel dritten oder vierten Grades. Ich bitte dich
inständig, nimm' dein rechtmäßiges Erbe an!“ Der alte Mann ließ
nicht locker und beschwor Ravenna geradezu, trotz brüchiger Stimme.
„Timbergrove ist ein wunderschönes Anwesen. Es liegt in der
Grafschaft Avalon und ist ein gutes Landgut.“ Dass der alte Baronet
ein harter, gefühlskalter manchmal sogar grausamer Patriarch gewesen
war, brauchte seine Tochter nicht zu wissen.
„ Ich
will, dass du in die Rolle von Raven schlüpfst und sein... nein, dein rechtmäßiges
Erbe antrittst! Deine Mutter hätte es so gewollt und auch dein
Bruder“ setzte er mit leiser Stimme nach. Er fuhr sich mit der
Zunge über die trockenen, spröden Lippen. Ravenna hielt ihm
vorsichtig ein Glas Wasser an den Mund, um ihn in kleinen Schlücken
trinken zu lassen. Erschöpft ließ sich ihr Vater danach in die
Kissen zurücksinken.
“ Die
Eil-Depesche enthielt noch mehr Informationen, Liebes. Der alte
Baronet hat verfügt, dass Raven, in dem Fall jetzt aber du, das Erbe
nur unter Aufsicht antreten darfst. Das heißt, du musst ein Jahr
lang in die Dienste des mächtigen Duke of Avalon treten. Wenn der
Duke überzeugt ist, dass du ein großes Gut erfolgreich verwalten
kannst, dann geht Timbergrove in deinen Besitz über. Der alte
Baronet hatte offenbar Angst, dass sein unbekannter Enkel aus Indien
ein nichtsnutziger Tagedieb sein könnte, der Timbergrove verprasst
anstatt es für weitere Byam-Generationen zu erhalten.“
Das lange Reden
hatte James Sinclair fürchterlich angestrengt. Für eine Weile war
er nicht in der Lage weiterzusprechen. Ravenna hielt sich zurück.
Sie wußte Widerspruch würde ihren Vater nur noch weiter schwächen.
„ Kennst
du den Duke of Avalon, Vater?“
Ihr Vater überlegte
einen Moment, ob er ihr die Informationen, die er über den Duke
erhalten hatte, mitteilen sollte.
„ Nun?!“
forderte ihn Ravenna nochmals auf.
„ Die
Informationen, die ich über ihn bekommen habe, sind widersprüchlich“
antwortete ihr Vater ehrlich. „ Offenbar
ist er seit einem Unfall vor sieben Jahren ein Krüppel!“
„ Ein
Krüppel!?“
„ Wenn
es stimmt, was mir zugetragen wurde, kann er kaum etwas sehen, außer
Licht, Schatten und Umrisse. Die Leute......!“ Ravennas Vater
verstummte abrupt.
„ Die
Leute......?“ hakte Ravenna nach.
„ Ach,
alles nur dummes Geschwätz. Du weißt doch wie die Leute reden, wenn
jemand sehr mächtig oder verkrüppelt ist. Da ranken sich schnell
seltsame Gerüchte in die Höhe!“
„ Vater!“
Ravenna stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. „Wenn ich schon ein
Jahr bei dem Duke verbringen muss, dann sollte ich soviel wie möglich
über ihn wissen! Findest du nicht auch?“ Ravennas Worte entbehrten
nicht einer gewissen Logik. James Sinclair überlegte lange.
„ Vielleicht
hast du recht .“
Er holte seufzend Luft: „Man munkelt, dass er seit seinem Unfall...
ungewöhnliche Kräfte besäße!“
„ Ungewöhnliche
Kräfte? Du meinst er ist ein... Hexer?“ Ravenna lief ein kalter
Schauer über den Rücken.
„ Ravenna,
bitte! Es gibt keine Hexerei“ rief ihr Vater ungeduldig. Für solch
unsinnige Diskussionen fehlten ihm einfach die Kräfte.
„ Durch
den Verlust des Augenlichts wurden vermutlich seine anderen Sinne
extrem geschärft. Er bewegt sich offenbar lautlos und sicher wie ein
Schatten. Er hört besser als jedes Tier und sein Körper scheint
Dinge und Menschen auf geheimnisvolle Art orten zu können. Er
benötigt keinen Stock und keine Hilfe!“ James Sinclair pausierte
kurz. Er zögerte fortzufahren. Ravenna bemerkte sein Unbehagen.
„ War
das alles ?“
James Sinclair
kämpfte innerlich mit sich. Aber besser Ravenna erfuhr es von ihm,
als von irgendwelchen Schandmäulern, die mehr an Dichtung als an
Wahrheit interessiert waren.
„ Er
ist seit sieben Jahren Witwer. Seine Frau starb bei einem Sturz aus
dem Fenster,“ James Sinclairs Stimme wurde noch leiser „man weiß
nicht, ob sie von allein gesprungen ist....“ Ravenna schnappte
entsetzt nach Luft.
„ Hat
der Duke of Avalon etwas mit dem Sturz zu tun?“ James Sinclair
hätte lieber darüber geschwiegen, aber da er nun schon mal dabei
war......
„Er war in der Nacht als es passierte auch dort. Man
fand ihn mehr tot als lebendig neben seiner Frau liegend. Er hat nur
knapp überlebt. Seitdem ist er blind!“
Ravenna war
geschockt. Sie sollte ein ganzes Jahr lang unter dem Dach eines
mutmaßlichen Mörders
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