Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
dümmlich.«
»Ein unfähiger Bauernlümmel ist er«, sagte Eutherius, »und es war sicherlich beabsichtigt, dass er bemerkt wird. Doch seinetwegen sind schon Männer hingerichtet worden. Du solltest seine Fähigkeit, Unheil anzurichten, nicht unterschätzen.«
Den ganzen Winter arbeitete Julian schon an seiner Strategie, beriet sich mit den Befehlshabern und Kundschaftern, brütete über Karten der Grenzgebiete und prüfte sämtliche Wege, Ebenen und Flussübergänge. Bei seinem ersten Feldzug, als Barbaren noch über ganz Gallien verbreitet waren, hatte er sie lediglich zurückgetrieben, wenn er auf sie stieß, wie ein Mann, der die Lecks in einer Zisterne stopfen will. Jetzt aber hatte er einen festen Plan: Er wollte einen dauerhaften Frieden herbeiführen.
Es habe eine Zeit gegeben, sagte er, wo die Grenze von der Rheinmündung bis Straßburg und zum Gebirge Rätiens ein wehrhafter Schutz gewesen sei. Doch inzwischen zeigten wir so viel Schwäche, dass die Alemannen und Franken und andere umherziehende Stämme sich auf römischem Gebiet niedergelassen hätten, und jetzt hätten sie es schon so lange besetzt, dass sie es als ihr Eigentum betrachteten.
Anfangs noch dankbar wie Bettler, denen gegeben wird, hätten diese Siedler versprochen, die römischen Gesetze zu achtenund friedlich zu leben. Doch die Germanen seien von Natur aus unbeugsam und hätten nicht gelernt, ihren Stolz durch vernünftige Überlegung zu zügeln. Als ihnen klar geworden sei, dass sie ihre wehrlosen Nachbarn ungestraft überfallen konnten, gaben sie die Feldarbeit auf und widmeten sich der Räuberei. Sie stahlen Getreide, brannten Dörfer nieder, verschleppten Bürger und machten sie zu ihren Sklaven. Nachdem solches Verhalten so lange hingenommen worden war, sahen die Barbaren es als ihr Recht an.
»Aber warum lassen wir das zu?«, fragte Julian. »Fürchten wir sie? Oder haben wir kein Vertrauen mehr in uns selbst?« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der großen Karte auf dem Tisch zu. »Wir müssen die Grenze wiederherstellen. Wir müssen die Germanen über den Rhein zurücktreiben, sonst werden sie eines Tages, wenn wir mit anderen Dingen beschäftigt sind, in Scharen über die Bergpässe in die Ebenen Galliens kommen und Spanien, Italien und Rom einnehmen.«
Die Quästoren und Tribunen am Tisch wechselten verstohlene Blicke. Der Cäsar pflegte bei solchen Dingen zu übertreiben. Aber zu behaupten, Rom selbst könnte fallen – das war doch allzu weit hergeholt.
Julian blieb auf die Karte konzentriert; er sah das vielsagende Lächeln der Männer nicht. »Das dürfen wir ihnen nicht erlauben«, schloss er und tippte auf die gekrümmte Linie des Rheins. »Hier müssen wir sie aufhalten!«
Ungeduldig wartete er auf das Ende des langen nördlichen Winters. Als sich an den Pflaumenbäumen im Hof die ersten Blüten zeigten und am Flussufer die gelben Krokusse zum Vorschein kamen, befahl er, sich marschbereit zu machen. Da erst kam Florentius zu ihm und teilte mit, dass der Nachschub aus Aquitanien nicht eingetroffen war.
»Wo ist er denn abgeblieben?«, verlangte Julian zu wissen. »Du kanntest meine Pläne. Du hattest den ganzen Winter Zeit für die Vorbereitungen.«
Florentius lächelte säuerlich und erwiderte, als spräche er mit einem Dummkopf, dass der Verlauf solcher Transporte schwer vorherzubestimmen sei, besonders während des Winters. Darüber hinaus habe es Krankheitsfälle unter den zuständigen Beamten gegeben, was unvermeidliche Verzögerungen zur Folge gehabt habe. Man habe Bestellungen genehmigen und überprüfen sowie zur Abwägung an vorgesetzte Stellen weiterleiten müssen. Ein Mann in so hoher Position wie der Cäsar verstünde das doch sicherlich? So redete er klagend und monoton und ließ sich lang und breit über die Schwierigkeiten aus.
Julian starrte ihn an, und sein Mund wurde immer schmaler.
Schließlich fiel er ihm ins Wort: »Wann bekomme ich den Nachschub?«
»Vielleicht in einem Monat, vielleicht später. Wie gesagt, ich kann es nicht versprechen.«
»Die Lieferung wird aber irgendwo sein, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.«
»Dann schicke einen deiner Leute aus, um sie zu finden. Ist das möglich, Präfekt? Oder muss ich es selbst tun?«
»Das wird nicht nötig sein«, begann Florentius aalglatt, doch Julian unterbrach ihn. »Gut. Dann erwarte ich deine Meldung. Und jetzt haben wir beide zu tun, nicht wahr?«
Damit ließ er Florentius stehen und verließ den Raum, vielleicht, weil er
Weitere Kostenlose Bücher