Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
über Julians frühere Feldzüge unterhalten, aus der Zeit, bevor Marcellus und ich nach Paris gekommen waren. Jetzt entstand eine Pause. Einer, der Plancus hieß, schüttelte den Kopf und sagte: »Wie schnell die Männer vergessen, was er für sie getan hat.«
»Keineswegs, Plancus«, widersprach Rufus, der neben ihm saß. »Einem anderen wären sie nicht so weit gefolgt – und das ohne Sold.«
»Ohne Sold?«, fragte ich und hob den Blick.
»Hast du das nicht gewusst, Drusus? Seit Straßburg haben sie nichts mehr bekommen. Der Kaiser will die Mittel nicht genehmigen.«
»Aber das können sie doch nicht Julian anlasten«, meinte einer.
»Tun sie auch nicht«, sagte Plancus. »Aber wenn man einen Mann mit leerem Geldbeutel stehen lässt, sollte man wenigstens für einen vollen Bauch sorgen.«
Ein anderer, der gern Witze riss, bemerkte: »Du siehst jedenfalls gut genährt aus, Plancus«, und streichelte ihm den Bauch. »Was ist dein Geheimnis? Hast du ein Barbarenmädchen aufgerissen, das dir jede Nacht Leckerbissen zusteckt? Und was kriegt sie dafür von dir?« Er machte ein neugieriges Gesicht, hob Plancus’ Tunika an, um zu verdeutlichen, was er meinte, und erntete Gelächter.
Plancus stieß ihn weg. »Sehr komisch, Maudio. Aber hör zu. Als ich heute unten bei den Pferden war, hab ich ein übles Gerede vernommen.«
Das Gelächter erstarb. »Was für Gerede?«
»Das Gerede von Meuterern, wenn du mich fragst. Wenn mein Pferd nicht lahmen würde, wäre ich gar nicht dort gewesen. Ich hörte sie durch die Wand, wo die Latrinen sind. Sie beklagten sich über Julian und nannten ihn einen dummen Griechen. Er habe sie an der Nase herumgeführt und hätte besser bei seinen Büchern bleiben und das Kriegführen denen überlassen sollen, die etwas davon verstehen … Wie gesagt, sie haben ein kurzes Gedächtnis.«
»Alle Soldaten klagen gern. Geschieht dir recht, wenn du das Ohr an die Scheißhaustür drückst.«
»Ha, ha! Mach dich nur darüber lustig. Aber denk an meine Worte: Da braut sich was zusammen.«
In den folgenden zwei Tagen murrten die Männer bereits offener, und das machte Julian zu schaffen. Er ging nie auf die Launen einer Menge ein, aber er wollte gemocht werden. Seit seinen ersten Siegen hatten die Soldaten ihn verehrt. Sie stammten allesamt aus Gallien. Er hatte an ihrer Seite gekämpft, um ihre Häuser und Familien zu schützen, und nun wollten sie zurück in die Heimat.
Ich fragte Marcellus, ob Severus genauso dachte, denn er hatte Erfahrungen mit Soldaten und kannte ihre Stimmungen besser als jeder andere.
»Er sagt, wir sollten weitermarschieren, denn wir hättenkeine andere Wahl. Wenn wir jetzt kehrtmachten, würden sich die fränkischen Stämme hinter uns erheben. Sie wittern Schwäche wie ein Schwein die Trüffel. Wir würden nicht lebend davonkommen.«
Irgendwo im Lager hörte man einen Hammer klirren. Marcellus blickte auf.
»Das ist nur einer der Hufschmiede«, meinte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Er horchte; dann nickte er. »Ich bin heute angespannt wie eine Bogensehne.«
Das waren wir alle. Über das Lager hatte sich eine sonderbare Stille gesenkt. Es war nicht die Ruhe zufriedener Menschen; es war die knisternde Ruhe vor dem Sturm, wo das Laub reglos am Baum hängt und selbst die Vögel stumm bleiben. Dann wünscht man sich, der Sturm würde losbrechen, damit es umso eher vorbei ist.
An diesem Abend, kurz vor Sonnenuntergang, war ich bei Julian und den anderen, um den Marsch des nächsten Tages zu besprechen. Er wollte gerade etwas sagen, als auf der anderen Seite des Lagers zornige Stimmen laut wurden. Julian hob stirnrunzelnd den Blick. Niemand musste ihm erklären, was das bedeutete.
»Ich werde zu ihnen gehen«, verkündete er. Und ehe es jemandem einfiel, ihn aufzuhalten, hatte er sich unter der Zeltklappe durchgebückt.
Wir blickten einander sprachlos an; dann eilten wir hinter ihm her zwischen den Hütten, Zelten und Kochfeuern hindurch. Bei den Feuern war niemand. Überall herrschte eine unheimliche Stille, außer in der Mitte des Lagers, wo sich der Versammlungsplatz befand. »Bei den Göttern!«, rief Severus. »Er darf nicht allein dort auftreten.« Wir nahmen die Beine in die Hand.
Endlich sahen wir ihn ungefähr vierzig Schritte vor uns. Schon begann die Menge ihn zu umringen. Ich konnte seineStimme hören; er sprach das sorgfältige Latein des griechischen Redners und versuchte sich über das allgemeine Gemurmel hinweg Gehör zu
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