Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
verborgen wird. Zweifellos wollte er mich an meinen Stand erinnern. Doch am achten Tag, nachdem einige meiner alten Freunde sich für mich verwendet hatten, wurde ich endlich vorgelassen und durfte den Purpur küssen.«
Die Audienz, berichtete Eutherius weiter, verlief allerdings wenig erfreulich, denn der Oberkämmerer überfiel ihn mit einem Schwall Fragen über Barbatio – den Heermeister, den Julian wegen Untüchtigkeit entlassen hatte –, während Constantius reglos und stumm wie eine Statue auf seinem juwelenbesetzten Thron saß. Barbatio hatte Julian inzwischen angeklagt, seine Befugnisse in Gallien überschritten zu haben. Nun wollte der Oberkämmerer wissen, was Eutherius einer solch schweren Anschuldigung entgegenzusetzen habe.
»Was hast du darauf geantwortet?«, fragte Julian.
»Dass es Unsinn ist. Und da deine Befugnisse gar nicht beschränkt worden seien, könne weder Barbatio noch ein anderer beurteilen, ob du sie überschreitest. Und dem Kaiser habe ich gesagt, dass du nur das tust, was nötig ist, um die kaiserliche Politik eines Wiederaufbaus Galliens in die Tat umzusetzen.«
»Und war er zufrieden?«
Eutherius verdrehte die Augen und blickte hinauf zu den geschnitzten Deckenbalken mit der verblassten Vergoldung. »Hast du je erlebt, dass der Kaiser ausspricht, was er denkt?Und was ihm durch den Kopf geht, vermag man nicht zu erkennen. Mit einem Gesicht wie Alabaster hörte er zu. Als es schließlich nichts mehr zu sagen gab, schnippte er nur mit dem Finger, um Schweigen zu gebieten, und verkündete dann in diesem seltsamen Tonfall, den er bei solchen Gelegenheiten benutzt: ›Barbatios Entlassung ist rechtens.‹ Das war es. Und wahrscheinlich meinte er es ernst; andernfalls wäre anschließend jemand zu mir gekommen. So ist es immer, wenn der Kaiser absichtlich das Gegenteil von dem sagt, was er meint.«
Julian schüttelte den Kopf und durchquerte das Zimmer, um in den Hof auf den Pflaumenbaum zu blicken.
»Dann ist es ja gut«, sagte er nach einer Pause. »Wegen Barbatio sind tüchtige Soldaten ums Leben gekommen. Ich würde ihn nicht wiedereinsetzen. Das bin ich den Männern schuldig.«
Oribasius sagte: »Du hast erreicht, was du wolltest, Julian. Du bist ihn losgeworden.«
Julian nickte. »Ja … danke, Eutherius. Constantius hätte auf keinen anderen gehört.« Er hielt kurz inne, dann sagte er: »Aber es gibt noch etwas anderes zu berichten, nicht wahr? Das sehe ich dir an. Was hat der Kaiser sonst noch gesagt?«
Eutherius seufzte resigniert. »Nur dass es nachteilige Berichte gegeben habe …«
»Nachteilige Berichte!«, rief Julian aus und schnaubte verächtlich ob der Wortwahl. »Nachteilige Berichte von Barbatio wahrscheinlich. Was erwarten sie anderes? Begreifen sie denn nicht, dass er sich nur schützen will?«
»Der Kaiser wird in allen Angelegenheiten von seinem Oberkämmerer beraten. Natürlich hat er gesagt, von wem die Berichte stammten, und man stellt dem Kaiser nun mal keine Fragen. Doch er erkundigte sich nach dem Präfekten und sagte, er wünsche, dass du seinen Rat gehörig beachtest.«
»Florentius ist also auch zu ihm gerannt. Na, das hätte ich mir denken können. Es wundert mich, dass ich überhaupt gegen die germanischen Stämme siegen kann, wenn ich so vieleFeinde im Rücken habe.« Er seufzte; dann fragte er: »Sind die Gefangenen, die ich von Straßburg schickte, bei Constantius eingetroffen? Blieb ihm bei all den Beschwerden noch Zeit, meine Siege zur Kenntnis zu nehmen?« Er klang gekränkt.
»Das kam zur Sprache … Aber setz dich doch, mein lieber Julian. Es ermüdet mich, wenn du ständig hin und her läufst.«
Widerstrebend nahm Julian am Ende der Liege Platz und saß auf der Kante wie eine sprungbereite Katze.
»Und? Was hat er gesagt?«
Eutherius zögerte, antwortete dann aber mit einer müden Geste: »Der Kaiser sagte, er sei des Themas überdrüssig.«
Julian starrte ihn zornig an. Es kam selten vor, dass er seine Wut zeigte; stets bemühte er sich um Beherrschung, da er bei einem Mann, der Tugendhaftigkeit anstrebte, alles andere für unpassend hielt. Aber jetzt rief er aus: »Was? Ich habe Gallien von den Barbaren befreit, habe den Gaukönig in Ketten zu Constantius gesandt, habe ihm ganze Horden neuer Soldaten für seine Heere geschickt, und er ist meiner Siege überdrüssig?« Er sprang auf. »Bei den Göttern, Eutherius, du weißt, ich habe ihn nicht gebeten, mich zum Cäsar zu ernennen! Und welche Wahl hat er mir gelassen? Er hat
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