Wenn alle Schranken fallen
ich mir nicht mehr so sicher. Heute Abend hat mich dieser Mensch tatsächlich bedroht.” Erleichtert, dass sie ihm ihr Geheimnis verraten hatte, sah Lydia zu ihm auf. “Wer könnte so etwas tun?”
“Nun, du könntest unseren neuen Bürgermeister fragen. Vielleicht hat er etwas damit zu tun.” Glenn besaß mehr Gründe, Lydia von anderen Männern fernzuhalten, als jeder andere in der Stadt. Und wenn man Haraways Ruf, das Gesetz für seine eigenen Zwecke zu manipulieren, in Erwägung zog, hielt Gordon seinen Verdacht nicht für abwegig.
“Glenn?”
“Ja, Glenn”, bestätigte Gordon. “Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Haraway ist scharf auf dich.”
“Das ist nicht wahr.” Lydia schlang die Arme um sich und strich mit den Händen auf und ab, in dem Bemühen, sich zu wärmen.
“Wahrscheinlich befürchtet er, ich bekomme dich eher ins Bett als er.”
“Wie kannst du es wagen!”
“Mir fällt sonst niemand ein, der einen Grund haben könnte, dir zu drohen.”
“Was ist mir dir? Gibt es jemanden in deinem Leben, der etwas dagegen hat, dass wir zusammen sind?”
Sofort kam ihm seine Mutter in den Sinn, aber Ruth war nicht der Typ für anonyme Anrufe. Wenn sie mit jemandem ein Hühnchen zu rupfen hatte, sagte sie es ihm auf den Kopf zu, von Angesicht zu Angesicht. Die Vorstellung, dass jemand gezielt versuchte, Lydia Angst einzujagen, war Gordon unerträglich. Sogar mehr noch als der Gedanke, dass sich die ganze Stadt in ihre Beziehung einmischte. Am liebsten hätte er sich den mysteriösen Anrufer einmal persönlich vorgeknöpft, aber ob Lydia seine Einmischung gutheißen würde, war eine ganz andere Frage. Besonders, falls sich sein Verdacht gegen Haraway als gerechtfertigt erwies.
“Ich denke, du solltest die Polizei benachrichtigen”, meinte er schließlich.
“Das würde ich lieber nicht machen, solange sich die Situation nicht verschlimmert.” Angesichts des fragenden Ausdrucks in Gordons Augen erklärte sie: “Wenn ich die Polizei anrufe, gibt es noch mehr Gerede. So etwas bleibt in diesem Nest nicht lange ein Geheimnis.”
“Ja, da hast du recht.” Was sonst sollte er ihr raten? Wenn ihr das Geschwätz der Leute wichtiger war als die Festnahme des geheimnisvollen Anrufers, konnte er ihr nicht helfen. Außerdem gab es mit dem Ende ihrer Beziehung auch keinen Grund für weitere Anrufe.
“Du verstehst mich doch, nicht wahr?” Könnte ein Mann wie Gordon je wirklich den Drahtseilakt nachvollziehen, der ihr Leben ausmachte? Seit ihrer Kindheit war Lydia beigebracht worden, dass der äußere Anschein von enormer Wichtigkeit war.
Er wandte sich ab. “Sicher verstehe ich. Du wärst lieber tot, als dass du dich zum Gespött der Leute machst.”
“Ich will nicht, dass du im Zorn von mir gehst.”
“So? Wie soll ich denn dann gehen?”
Fast hätte Lydia gesagt, er solle überhaupt nicht gehen. Er sollte bleiben, damit sie reden, lachen und die Gesellschaft des anderen genießen konnten. “Können wir nicht als Freunde auseinandergehen?”
“Ich dachte, du hättest es endlich erkannt.” Gordon machte einen zaghaften Schritt auf sie zu.
“Was erkannt?”
“Du und ich, wir können nicht nur Freunde sein.”
Das Blut stieg Lydia in den Kopf, und eine innere Hitze breitete sich in rasender Geschwindigkeit in ihrem Körper aus. Ihre Blicke trafen sich. Er wollte sie. Sie wollte ihn. Ihre Sehnsucht kam einer Urgewalt gleich.
“Mehr kann ich dir nicht anbieten.” Gleichzeitig wünschte Lydia, sie könne ihm alles geben, was er wollte.
Es wäre so einfach, Gordons Hand zu ergreifen und ihn wieder ins Haus zu ziehen. Er würde sie in die Arme nehmen und küssen. Seine Hände würden sie streicheln und ihr langsam die Kleider abstreifen. Dann würde er sie hochheben, zu ihrem Bett tragen und sie mit unbändigem Verlangen ansehen, während er Jeans und Hemd auszog. Er würde zu ihr kommen, sie nehmen und …
In ihren Augen stand ihre Sehnsucht, und Gordon wusste, ihr Verlangen stand seinem in nichts nach. Wie würde Lydia wohl reagieren, wenn er sie wieder hineinschob und küsste, bis sie nach Atem rang? “Ich kann nicht nur dein Freund sein. Das haben wir ausprobiert, und es hat nicht funktioniert, oder? Ich möchte dein Liebhaber sein, und das weißt du auch.”
“Das geht nicht.” Sie wusste, sie würde ihn verlieren, und es gab nichts, was sie daran ändern konnte.
Zum Teufel! Er wollte sie nicht verlassen, aber er würde eher sterben, als Lydia anflehen, auf
Weitere Kostenlose Bücher