Wenn alle Schranken fallen
ihr Gefühl statt auf ihren Verstand zu hören. Schon einmal hatte er sich wegen einer Frau zum Narren gemacht.
Gerade als er gehen wollte, ergriff Lydia seine Hand. “Gordon.” Die Berührung war ein Fehler, aber sie konnte nicht anders.
Bei dem Gefühl der schlanken Finger, die sich um seine harten Knöchel schlossen, durchfuhr Gordon ein Stromstoß. Ohne sich umzudrehen, blieb er stehen. Ihre Hand zitterte. “Du gehst besser hinein. Es ist ziemlich kühl hier draußen.” Seine Stimme klang weicher, so als machte er sich tatsächlich Sorgen um sie.
Lydia klammerte sich an seine Hand. Allein die Berührung war ein sinnliches Vergnügen. “Gib auf dich acht.”
“Ja, du auch.”
Lydias Körper, eingerahmt vom Licht, das aus dem Wohnzimmer fiel, war die reine Versuchung. Wenn er sich nicht schleunigst davonmachte, würde er sie auf die Arme nehmen, sie hineintragen und mit ihr schlafen. Schnell riss Gordon sich los, eilte zu seinem Wagen, stieg ein und ließ den Motor an.
Lydia zitterte im kühlen Wind, während sie beobachtete, wie er den Wagen zurücksetzte und aus der Einfahrt fuhr. Sie rannte zum Gartenzaun und blickte die Straße hinunter, bis sie die Rücklichter aus den Augen verlor. Heiße, salzige Tränen strömten ihr übers Gesicht.
Gordon Cameron war gegangen.
5. KAPITEL
“K ommt gar nicht infrage!” Lydia warf den Aktenordner auf Glenn Haraways Schreibtisch.
Glenn sprang aus seinem feudalen Chefsessel. Händeringend eilte er zu der aufs äußerste gereizten Frau, die ihn böse ansah. “Senk bitte deine Stimme, meine Liebe.”
“Oh, tut mir leid. Deine Büroangestellten sollten natürlich nicht erfahren, dass du mich gerade gebeten hast, mich zu prostituieren. Nur damit deine Regierung das Lob für Rivertons neues Einkaufszentrum ernten kann.” Lydia wirbelte herum, nahm ihre Lederhandtasche vom Stuhl und ging zur Tür.
“Nein, nein. Ich muss mich entschuldigen.” Glenns Finger schlossen sich um Lydias Oberarm und hielten sie auf. “Ich hatte nicht die Absicht, dich mit meinem Vorschlag aufzuregen. Es ist nur so: Der Stadtrat und ich haben alles Erdenkliche getan, außer auf die Knie zu fallen und Mrs Cameron um einen Verkauf anzuflehen. Sie will diese alten Gebäude um jeden Preis erhalten. Deshalb dachten wir, wenn du mit ihrem Sohn sprichst, würde sie vielleicht …”
“Vor einem Monat hast du mir noch geraten, mich von Gordon Cameron fernzuhalten. Du und Eloise und all unsere Freunde waren ja so besorgt um meinen guten Ruf.” Lydia sah hinunter auf Glenns Hand, die ihren Arm umklammert hielt. Sofort gab er sie frei. “Und nun soll ich ihn zum Essen einladen und ihn bezircen, damit er seine Mutter zum Verkauf der alten Baumwollspinnerei und des angrenzenden Grundstücks überredet!”
“Ich würde meinen, du möchtest dieses Projekt ebenfalls verwirklicht sehen. Schließlich war es Tylers Idee. Er war derjenige, der Investoren gesucht und das Vorkaufsrecht von allen anderen Grundbesitzern unten an der Cotton Row erhalten hat. Die Zeit drängt, Lydia. Etwas muss geschehen.”
“Natürlich würde ich es gern sehen, wenn Riverton ein modernes Einkaufszentrum bekäme. Aber ich habe etwas gegen die Vorstellung, meine … meine Bekanntschaft mit Gordon zu benutzen, damit seine Mutter einen Vertrag unterzeichnet.”
“Du müsstest ihn ja nicht bei dir zu Hause fragen. Ihr könntet euch in einem Restaurant treffen oder sogar hier. Sag ihm, es sei geschäftlich, wenn du ihn anrufst.” Glenn legte den Arm um Lydias Schultern und führte sie zurück in sein Büro. “Du weißt, ich bin der Letzte, der will, dass du deine Zeit mit Gordon Cameron verbringst.” Er fuhr mit den Fingerknöcheln über ihre Wange. “Oder mit irgendeinem anderen Mann.”
Lydia atmete tief durch und zählte bis zehn. Obwohl Glenn seit Tylers Tod ein perfekter Gentleman gewesen war, ließ er in letzter Zeit keinen Zweifel daran, dass er nach Ablauf einer angemessenen Zeitspanne um die Witwe seines besten Freundes werben wollte.
Sie schob seine Hand weg. “Ich weiß nicht, ob Mr Cameron sich überhaupt mit mir treffen würde, denn wir sind nicht gerade im besten Einvernehmen auseinandergegangen.”
“Du wirst es nie erfahren, wenn du nicht anrufst und ihn fragst.” Glenn nahm sein Telefon und reichte es ihr.
“Auf keinen Fall treffe ich mich allein mit ihm.” Ob Glenn erriet, dass mehr hinter ihrem Widerstreben steckte als die Abneigung gegen seine Machenschaften?
“Bitte ihn,
Weitere Kostenlose Bücher