Wenn auch nur fuer einen Tag
werden, stattdessen fühle ich mich jetzt wie in einer Falle. Aber daraus werde ich mich befreien! Von mir aus sollen Kontrollfreak Freddi und sein blondes Annchen in der Öffentlichkeit in die Rolle von Tante und Onkel schlüpfen, so, wie es in diesem verdammten Vertrag steht. Aber im wirklichen Leben brauche ich keine Babysitter mehr – egal ob ich nun neunzehn bin oder zwanzig. Besser, ich stelle das von vornherein klar, damit mache ich es uns allen leichter. Beck soll seinen Job machen und das war’s. Immerhin wird er dafür bezahlt und wahrscheinlich nicht schlecht, wie ich meinen Vaterkenne. Also, was will er noch?
»Wenn du bleibst, zeige ich dir mein neues Piratenschiff«, plärrt Felix. »Du, das ist voll cool und man kann es echt schwimmen lassen.«
»Sorry, Kleiner, heute geht nicht. Ich hab später noch was vor«, murmele ich und ärgere mich im selben Moment darüber, dass mein Tonfall nicht noch abweisender klingt. Um meiner Ablehnung nachträglich Ausdruck zu verleihen, schiebe ich meinen halb vollen Teller ein Stück von mir und lege das Besteck beiseite. War bestimmt gut gemeint mit dem »italienischen« Abendessen, aber leider ein ziemlicher Reinfall. Billige Hartweizen-Spaghetti aus dem Supermarkt, die in roter Fertigsoße ohne Geschmack schwimmen, machen noch längst kein richtiges cena aus. Was gäbe ich jetzt nur für die handgefertigten Gnocchi mit frischem Pesto und Parmigiano von unserer Köchin Lucia! Und anschließend für eines ihrer weltberühmten dolci …
»So, Lukas!« Alfred Beck räuspert sich, tupft sich den Mund mit der Serviette ab und lehnt sich mit verschränkten Armen gemächlich zurück. Wieder dieser eindringliche Blick, den er eindeutig von Robert de Niro abgekupfert hat, und den ich nach zwei Monaten täglicher Treffen bereits so gut kenne, dass ich weiß: Gleich schiebt er noch etwas hinterher – in der Regel etwas Unangenehmes.
»Jetzt, wo du offensichtlich mit deinem Essen fertig bist«, sagt er auch prompt und ich deute mit Zeigefinger und Daumen eine Pistole an, mit der ich mir in die Birne schieße, »für welche Unikurse hast du dich entschieden?«
Jana
»He, Jana!« Julia, mit der ich einige Italienischkurse habe, fällt mir so stürmisch um den Hals, dass ich beinahe das Gleichgewicht verliere. Die Party ist in vollem Gange und sie scheint bereits einige Cocktails intus zu haben.
»Give it away, give it away, give it away now …«
»Hi, Julia, schön, dich zu sehen«, schreie ich gegen die Red Hot Chili Peppers an. »Wie waren deine Semesterferien?«
Julia hebt den Daumen. »Ganz okay, und bei dir?«
Ich mache ihre Geste nach. Meine Lippen formen das Wort »Super!«, so wie sie es an diesem Abend sicher schon an die zehnmal getan haben. Aber da entdeckt Julia auch schon eine andere Bekannte und verschwindet irgendwo im Getümmel. Ich schaue auf die Uhr und frage mich, wie lange ich wohl noch durchhalten muss, um Carla nicht zu enttäuschen. Die Musik ist eigentlich super und vor vier Monaten hätte ich sicher Spaß daran gehabt, ein bisschen zu tanzen oder mit Carla Leute zu beobachten und abzulästern, aber heute nervt mich dieser ganze Trubel und dass scheinbar alle auf Knopfdruck gut drauf sind. Das alles kommt mir so überflüssig vor. Natürlich weiß ich, dass das an mir liegt und nicht an den anderen. Man geht eben auf Partys, weil man abschalten und sich amüsieren will und nicht, um einen tieferen Sinn darin zu erkennen.
Meine Cousine tanzt wie eine Wilde. Alex weicht nicht von ihrer Seite, wirbelt sie herum und küsst sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Wow, denke ich, Carla wirkt mit ihren erhitzten rosa Wangen und den wild umherspringenden Locken verliebter denn je. Ich gestehe, ein ganz klein bisschen beneide ich sie um ihr Glück. Wie schön muss es sein, mit jemandem zusammen zu sein, der einen so zum Strahlen bringt! Mit siebzehn hatte ich zwar einen festen Freund, aber Patrick hat sich in den acht Monaten unserer Beziehung eher zu einem guten Kumpel entwickelt als zum Mann meiner romantischen Träume. Wir haben noch nicht einmal miteinander geschlafen. Das gewisse Etwas, das berühmte Prickeln hat einfach gefehlt, deshalb haben wir uns schließlich in aller Freundschaft getrennt. Und auch bei den anderen Jungs, die ich anschließend getroffen habe, hat es immer nur in den ersten Wochen gefunkt, bis ich dann plötzlich mit der Erkenntnis aufgewacht bin, dass ich mir nur vormache, verliebt zu sein, und es in Wirklichkeit gar
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