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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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anscheinend klare Fronten – wir hier in der Feste, ihr dort drüben im Schnee. Der Gegner hatte sich ringsum eingegraben, schoß aus allen Rohren – der mußte verdammt viel überflüssige Munition haben, es war mehr ein Prestigeschießen. Oder war es ein Mürbeschießen, wußte man, daß Entsatz unterwegs war? Höllriegl schob sich in der kritischen Zone nur zentimeterweise weiter, der Hund hielt engste Tuchfühlung. (Wie gut eine nasse Hundeschnauze sein kann!) Von hier aus sah man, daß die Burg des Oberbaurats vollständig eingekreist war.
    Er winkte und schrie, um zu verhindern, daß die eigenen Leute auf ihn schossen. „Kircheiß!“ brüllte er aus Leibeskräften und „Laale!“ – das waren die einzigen Namen, die er kannte. Als er nur noch wenige Schritte von der Barrikade entfernt war, auf der jemand die Reichskriegsflagge gehißt hatte, blitzte es draußen in der Ebene auf.
    Er hörte den dumpfen Knall und fast gleichzeitig den Einschlag, die Druckwelle war wie eine heiße Mauer. Dinge wirbelten um ihn herum, und etwas Großes, Schweres fiel vor ihm senkrecht aus der Luft in den Schnee. Der Hund hatte sich an ihn geschmiegt und winselte. Im Bauch war ihm auf einmal leichter, er hatte in die Hose gemacht. Komisch, dachte er, in den Heldensagen gibt es keine Verdauung, die altdeutschen Recken haben keinen Darm. Doch vorwärts jetzt!
    Er nutzte die Pause und kletterte über die Schanze, der Hund ihm nach. Freudengebell. Da war er also.
    Wie Maulwürfe kamen die Flüchtlinge aus ihren Löchern. Einer sagte, da vorn werde ein Erkundungstrupp zusammengestellt, es sei schon nach ihm gefragt worden. Höllriegl verdrückte sich, so gut er konnte, er hatte alles bis daher. Er sah den Oberbaurat Leute ausmustern, der Kleidung und dem Wuchs nach waren es Hiwis, Laale war auch dabei, er schien zu dolmetschen, und Kircheiß und die zwei Weiber kamen dazu. In diesem Moment bot der Oberbaurat, der auf der Kette des Motorfahrzeuges stand, ein geradezu blendendes Ziel.
    Höllriegl setzte sich hinter einem Schlitten bequem in Positur und nahm den Laser aus dem Behälter. Laser tötet leise, zischt nur, eine hinterhältige Waffe. Den Knopf da mußte man drücken, wenn das Ziel im Sucher war. Diesmal zitterte Höllriegl nicht, ja er hatte die ruhigsten Hände der Welt, auch der Tränenfluß störte nicht mehr, als er den Laser anlegte und durch das Objektiv blickte. Im Fadenkreuz erschien der Oberbaurat stark vergrößert, was in dieser Situation nicht unbedingt von Vorteil für ihn war. Immerhin: ein bewunderungswürdiger Mann und eine Leuchte der Wissenschaft. Bon. Höllriegl betätigte den Mechanismus und sah, wie der Oberbaurat im Verkohlen zusammenschrumpfte. Gruß von Blondi!
    Er hörte Frauengekreisch, alle schrien dort auf, fast wie im Chor. Er riß die Pistole heraus und legte sie an seine Schläfe, den Griff nach oben, Daumen am Abzug, mit der Linken preßte er die Mündung, sie war eisig und schmerzhaft, an die Kopfhaut. Es knackte, knackte, knackte. Teufel, die Waffe war leergeschossen! Wo hatte er nur das Magazin?
    Fieberhaft durchwühlte er alle Taschen, eine große Wut packte ihn, am liebsten hätte er sich mit dem Schießeisen den Schädel eingeschlagen. Der Hund umtanzte ihn mit vor Entzücken glänzenden Augen.
    Er sah Kircheiß und die Hiwis auf sich zukommen, jemand mußte ihn beobachtet haben. Zum Laden war es zu spät. Die sollten ihn nicht haben, die nicht!
    Er turnte über die Barrikade und sprang auf den Boden hinunter, der Hund mit ihm. Dann lief er in die weißwogenden Felder hinaus, den guten Schüssen entgegen.

 
Glosse
     
    Das von Axel gesprochene
     
    „Mutterdeutsch“
     
    ist eine Erfindung von
     
    Ernst C. Schär
     
    und dessen Werk
     
    „Der Muttersprache Not“
     
    (Ott Verlag, Thun und München 1960)
     
    entnommen.
     
    Ich unterstütze
     
    Ernst C. Schars Bestrebungen
     
    nachdrücklichst.
     
    Otto Basil
     

 
Nachwort
     
    Otto Basil, der Autor dieses Romans, wurde 1901 in Wien geboren. Er ist slawisch-deutschösterreichischer Herkunft. Nach germanistischen und paläontologischen Studien begann er seit 1920 Lyrik, Übersetzungen und Essays zu veröffentlichen. Zeitweise arbeitete er als Barpianist, Sprachlehrer, Verlagslektor, Journalist, Industrieangestellter, Verlagsleiter und Dramaturg. Er ist Mitglied im PEN-Club, Professor h.c. und Literaturpreisträger der Stadt Wien (der Preis wurde ihm 1965 veliehen).
    1937 begründete Basil die avantgardistische

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