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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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mit einem Essen in einem Restaurant und einem anschließenden Kinobesuch feiern – und mit den Abläufen inzwischen so vertraut, dass sie für die Fahrt hinaus und zurück in den Hafen beinahe immer das Ruder übernahm, denn warum sollten die beiden Taucher ihre Energie verschwenden, wenn sie morgens ebensogut noch eine Runde schlafen und abends müde in der Kajüte sitzen und Bier trinken konnten? Spar dir deine Kraft , hatte sie nach dem ersten Monat zu Greg gesagt. Sie hatte seinen Bizeps gedrückt, als sie im schwankenden Cockpit gestanden hatten, und ihn mit ihrem besten gespielt sexhungrigen Blick angesehen, und er hatte ihren Blick erwidert, sie leidenschaftlich geküsst und erst die eine und dann auch die andere Hand auf ihren Busen gelegt. Klar , hatte er gesagt, warum nicht? Du weißt ja inzwischen, wie es geht. Behalt die Instrumente im Auge und hör auf den Motor – mehr ist ja nicht dabei. Und so war es auch. Kein Problem. Und wenn irgendwas schiefgehen sollte, hatte sie ja zwei Mechaniker an Bord, die sich darum kümmern konnten. Einen Kaffee am Morgen, um sich wach zu halten, ein Bier – nur ein einziges – am Abend, bis sie die Schiffahrtsstraße hinter sich hatten. Auf den Tiefenmesser achten. Einen Punkt ansteuern und nicht abweichen, denn jede Abweichung kostete Sprit. Ein Kinderspiel.
    An diesem Morgen hielt sie Kurs auf das westliche Ende der Insel und die Kelpgründe bei Forney’s Cove, wo sie am Tag zuvor eine riesige Menge Seeigel entdeckt hatten. Alma war für zwei Wochen bei ihrer Großmutter Boyd in Venice. Die Gemeinheit, mit der sie Greg behandelt hatte, war längst vergessen, oder jedenfalls war Gras darüber gewachsen, denn als Kat und ihre Tochter sie vier Monate nach der Geburt besucht hatten – nur sie beide und nur für einen Tag –, war ihre Mutter dahingeschmolzen, und es war nie mehr ein Wort über Japse oder Schlitzaugen gefallen, wenigstens nicht, wenn Alma dabei war. Die Ausbeute war in letzter Zeit außergewöhnlich gut gewesen – sie hatten im Durchschnitt tausend Stück pro Tag gesammelt. Die Seeigel waren von bester Qualität und beinahe so zahlreich wie das scharfkantige Vulkangestein, das auf dem Meeresboden lag. Mehr und mehr Boote tauchten in den Fanggründen auf, aber Kat und Greg konnten sich nicht mal ansatzweise vorstellen, dass die Seeigel weniger werden würden, jedenfalls nicht so bald. Rausholen, was rauszuholen ist – das war ihr Standpunkt. Die Hypothek abtragen. Für die Zukunft sparen.
    Greg kam herauf und rieb sich die Augen, als er hörte, dass Kat die Fahrt verlangsamte und dann in den Leerlauf schaltete. »Sind wir schon da?« fragte er gähnend, reckte sich und spähte durch das Fenster auf die Kelpwedel, die sich wie zahllose grapschende Hände im Wasser hin und her bewegten.
    »Ja«, sagte sie, »das Leben ist schön, wenn man die ganze Zeit schläft.«
    »Wie sehen die Peperoncini aus?« Das war sein scherzhafter Name für Kelp, denn er glich in Farbe und Textur den kleinen eingelegten Pfefferschoten, die man im Lebensmittelgeschäft kaufen konnte.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Jedenfalls gibt’s hier eine ganze Menge davon.«
    Er ging an Deck, um besser sehen zu können, und hielt Ausschau nach den angefressenen Wedeln, die anzeigten, dass es große Seeigelvorkommen gab. Nach etwa einer Minute bedeutete er ihr, den Anker fallen zu lassen. Das war der Augenblick, in dem Mickey aus der Kombüse an Deck kam, die einst weiße Baseballmütze tief in die Stirn gezogen und mit der Hand einen Becher Kaffee umklammernd, als wäre es eine Rettungsleine. Wie Greg trug er Shorts und ein Sweatshirt mit Flecken von Lackfarbe, Motoröl und diversen Körperflüssigkeiten diverser Meereslebewesen. Er war klein und von kräftiger Statur, sein Haar wurde, obwohl er erst dreißig war, bereits schütter, und er hatte ein gewinnendes, seine Zahnlücken entblößendes Lächeln, mit dem er wirkte wie ein Klassenclown, und genau das war er auch gewesen. Wenn man seinen Erzählungen Glauben schenkte. Leider musste es mindestens zwölf Uhr sein, bevor sich dieses Lächeln oder auch nur ein Anflug davon zeigte, und als er nun erschien, war sein Gesicht wie üblich finster. »Mann, ich hab heute einfach keine Lust, in dieses Wasser zu steigen«, sagte er, beugte sich über die Reling und starrte stumpf auf den hin und her wogenden Kelp. »Wie wär’s, wenn du mich vertrittst, Kat? Dann könnte ich hier oben bleiben und in der Sonne liegen. Und lesen.

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