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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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denken, und in gehörigem Abstand zu den Eukalyptusbäumen am Rand, die zu dieser Jahreszeit manchmal einen Ast verlieren, und das ist das letzte, was er braucht: eine zerschmetterte Windschutzscheibe, wenn er müde und erschöpft vom Boot kommt. Seine Codekarte hat Wilson – er will nicht, dass die anderen vor dem Tor auf ihn warten und womöglich auffallen, und darum hat er Wilson gesagt, er soll sie schon mal aufs Boot bringen. Jetzt klappt er das Handy auf, während er den Rucksack nimmt und die Mütze tief ins Gesicht zieht. Es ist kurz nach zehn, und das Wetter hält. Vom Meer weht ein leichter Wind, Wolken treiben vorbei, die Sonne ist mal da, mal wieder weg, wie eine schlechte Funkverbindung, und er wählt Wilsons Nummer und denkt, dass Regen eigentlich ganz gut wäre, denn dann bleiben die Schweinemörder im Trockenen, und ein Boot kann unentdeckt zur Insel hinausfahren. Also: Soll es ruhig regnen. Soll es wie aus Eimern gießen.
    Wilson antwortet nach dem ersten Läuten. »Ja?«
    »Ich bin in zwei Minuten am Tor. Sind alle da?«
    »So ziemlich.«
    »So ziemlich? Scheiße, was soll das heißen: so ziemlich? Sind sie da oder nicht?« Er schreitet aus, hat es jetzt eilig, das Meer ist schwarz und ölig und schlägt mit pissgelbem Schaum an die Helling am Ende des Parkplatzes, was bedeutet, dass es jenseits des Wellenbrechers tückisch sein wird. »Die Reporterin, stimmt’s? Sag nicht –«
    »Sie hat angerufen und gesagt, sie kommt etwas später.«
    »Scheiße! Ich hab’s ihr gesagt. Ich hab sie gewarnt.« Er will sich gerade hineinsteigern, als er um die Ecke biegt, wo die Toiletten sind, und da ist sie: Toni Walsh, in einer grellrosaroten Regenjacke und dazu passenden Sandalen, ihr dünnes, quasirotes Haar weht ihr ins Gesicht, und sie steht vor dem verschlossenen Tor und sieht verwirrt aus. »Hallo«, ruft er und blickt sich rasch um, ob jemand sie beide sieht (aber es sieht sie niemand: Der Hafen ist praktisch verlassen, denn wie alle wissen, kommt ein Sturm auf). »Hallo, Toni.« Und während er auf sie zugeht und ein Lächeln fabriziert, fällt ihm eine harmlose Phrase ein. »Alles bereit?«
    Der Blick, mit dem sie ihn ansieht, lässt ihn zweifeln: als hätte sie ihn noch nie gesehen, als hätten sie das alles nicht am Telefon geplant und sich zweimal auf der hinteren Terrasse des Longboard getroffen, um Informationen über den Fortgang des Schlachtens und den Antrag auf einstweilige Verfügung auszutauschen, den Phil Schwartz in seinem Namen eingereicht hat (und der offenbar nicht mehr bewirkt hat als ein leises richterliches Stirnrunzeln). Der Wind verweht ihr Haar, und er sieht, dass sie sich ein Pflaster gegen Seekrankheit auf den Hals geklebt hat, knapp unterhalb des Ohrläppchens – es sieht aus wie ein fleischfarbener Ohrschmuck. Wird sie das hier hinkriegen? Ihre Iriden haben die Farbe von Schlick, das Weiße ist rotgeädert, in den Wimpern klumpt die Wimperntusche von gestern. Mit der einen Hand umklammert sie ihr Handy, mit der anderen eine rosafarbene Designertasche, so groß wie ein Koffer.
    Ein paar lange Sekunden starrt sie ihn einfach an. Eine Strähne ihres lachsfarbenen Haars klebt an ihrem Mundwinkel.
    »Haben Sie Ihre Kamera dabei?« fragt er ohne weitere Formalitäten. »Sie wollen doch bestimmt Fotos machen, um das alles zu dokumentieren.«
    »Um sieben sind wir wieder zurück, oder? Haben Sie nicht was von sieben gesagt?«
    »Ja, so ungefähr. Sieben, halb acht. Ich schätze, wir werden gegen halb zwölf da sein, dann gehen Sie mit uns den Canyon hinauf, sehen sich alles an, machen ein paar Fotos, und dann tun wir, was wir tun müssen, und sind bei Einbruch der Dunkelheit wieder an Bord. Und dann noch mal zweieinhalb Stunden für den Rückweg. In etwa.«
    »Gut«, sagt sie, »gut.« Kein Lächeln, kein Hallo, kein Danke für den heißen Tip, keine Wanderstiefel, Herrgott noch mal . »Ich habe nämlich eine Verabredung« – und hier kommt dann doch ein Lächeln, ein kurzes Zusammenpressen der Lippen, ein leises Flackern der Augen, das darauf hindeutet, dass hinter ihnen doch ein Gehirn arbeitet – »so um acht. Und vorher muss ich noch nach Hause und mich umziehen.«
    Er fragt sich, was er dazu sagen soll. Gutes Zureden gehört nicht zu seinen Stärken, ebensowenig wie freundlich sein und ein bisschen plaudern, wenn er unter Druck steht, aber da kommt Wilson die Rampe hinauf, und im nächsten Augenblick öffnet sich das Tor, und sie sind drinnen, klick: Ab hier nur für

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