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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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beim Wagen. Die Linien auf der Motorhaube, die Ed mit Politur und viel Muskelschmalz entfernt hat, sind noch immer schemenhaft zu sehen und zeigen, gegen welche Widerstände sie anzukämpfen hat, und mit einemmal ist sie so traurig, so überwältigt von Traurigkeit, dass sie einfach die Arme hängen lässt und verwirrt dasteht, während ringsumher andere Wagen rückwärts ausparken. Ihre Mutter hält mitten in einer Geschichte über ein Rockkonzert im Hollywood Bowl, auf dem sie mit Almas Vater, mit Greg, war, inne und fragt sie, was denn los ist.
    Doch das Seltsame ist: Sie kann es nicht sagen, denn sie weiß es selbst nicht.
    »Alma?« Die Stimme ihrer Mutter ist wie ein sanfter Flügelschlag im Dunkeln. »Alles in Ordnung?«
    Und da ist es wieder, das Gefühl der Schwäche, der Hilflosigkeit und Erschöpfung. Die Übelkeit steigt in ihr auf, als wäre etwas entkorkt worden, und sie merkt kaum, dass sie die Arme ausbreitet und ihre Mutter umarmt, während es nieselt und die Bremslichter Hunderter Wagen aufleuchten, während die Nacht vorrückt und Micah Stroud allein und schweißgebadet in seiner Garderobe sitzt.
    Am nächsten Morgen ist ihr erneut übel, ohne jeden Grund, und sie beugt sich über die Kloschüssel, bis etwas – was immer es war, was immer es ist – mit einem raschen, flüssigen Brennen hochkommt und kurz auf dem Wasser schwimmt, bevor es in einer wirbelnden Spirale verschwindet.

WILLOWS CANYON
    Die Drahtschneidezangen, fünf Stück, bezahlt er in bar. Er steht mit diversen Hausfrauen, Gewohnheitstrinkern und rüstigen Rentnern in der Kassenschlange des Baumarkts, des anonymsten Ortes der Welt, und niemand sieht ihn zweimal an. Oder vielleicht auch doch, wegen seiner Dreads, aber was soll’s? Er ist ein Bürger wie alle anderen, ein Mann mit Bargeld, der für eine bestimmte Arbeit ein bestimmtes Werkzeug braucht und ohne Murren wartet, bis er an der Reihe ist, obwohl alle anderen Kunden vor ihm – sieben, um genau zu sein – Wagen vor sich herschieben, die aussehen wie Häuser auf Rädern, vollgepackt mit allem möglichen Mist: Klopapierhalter aus rostfreiem Stahl, Schubladeneinsätze, elektrische Insektenvernichter, Gartenzwerge. Die dicke, träge Frau an der Kasse bewegt den Scanner, als wäre es eine Hantel. Die Lautsprecher plärren unentwegt. Flugzeuge – der Flughafen ist um die Ecke – donnern in immer kürzeren Abständen über den Himmel. Alle wollen ein bisschen herumstehen und plaudern.
    Achtzehn Minuten. Achtzehn Minuten für einen simplen Einkauf, und zwar weil Kundendienst diesen Leuten als Konzept so fremd ist wie ein anständiger Preis für ein anständiges Produkt. Er hasst Einkaufszentren wie dieses – als kleiner Einzelhändler muss er das auch, da Costco und Best Buy und der ganze Rest ihn doch ständig unterbieten –, und er wäre zu dem kleinen Haushaltswarengeschäft im Upper Village gegangen, anstatt den ganzen Weg hier hinaus zu fahren und mitten in dieser Asphaltwüste zu parken, wenn man ihn dort nicht kennen würde, gut kennen würde, und bei diesem besonderen Einkauf kommt es ihm vor allem auf Anonymität an. Und das heißt: Willkommen bei Home Depot, verehrte Kunden.
    Auf dem Rückweg zum Yachthafen legt er in Gedanken Listen an und geht noch einmal alle Details durch, um sicher zu sein, dass er nichts vergessen hat. Die schwarze Mütze liegt neben ihm auf dem Beifahrersitz, die Sonnenbrille ist auf seiner Nase, der Sunblocker im Tagesrucksack, zusammen mit einem Sweatshirt, für den Fall, dass es kühl wird, und einem Plastikponcho gegen den Regen, denn der ist vorhergesagt wie immer im Februar, dem einen Monat im Jahr, in dem man sich auf Regen verlassen kann. Als Verpflegung hat er drei Sandwiches – zwei mit Erdnussbutter und eins mit Käse und Tomate – und außerdem eine Tüte Studentenfutter und zwei Müsliriegel für extra Energie, dazu eine Literflasche Wasser, denn dem Wasser auf der Insel kann man nicht trauen, besonders jetzt, wo überall verwesende Schweinekadaver herumliegen. Einen Kompass hat er auch, obwohl er nicht genau weiß, wie man ihn benutzt, und ihn ohnehin nicht brauchen wird – den Canyon hinauf und am Zaun entlang, das ist sein Plan, und das wird er den anderen ebenfalls einschärfen. Denn was immer ihr tut, verlauft euch nicht. Wer sich verläuft, kann nach Hause schwimmen.
    Er parkt an seinem üblichen Platz, weit weg von den engen Parklücken, wo einem die Leute im Nu Türen und Kotflügel verkratzen, ohne sich was dabei zu

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