Wenn der Golem erwacht
Zimmertür, die, von meinem Bett aus nicht einsehbar, hinter dem Sanitärbereich lag, und wollte sie vorsichtig aufziehen. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Da erst bemerkte ich den kleinen Plastikkasten neben der Tür.
Ein verfluchtes Codekartensystem!
Iras Handtasche lehnte neben dem Schrank, aus dem sie die Thermoskanne genommen hatte. Ich schüttete den gesamten Inhalt auf dem Tisch aus: Schminkutensilien, ein kleiner Notizkalender, eine Packung Tempotaschentücher, gleich drei weitere Kugel-Schreiber und ein schmales Portmonee. Ich riss es auf. Kleingeld rollte über Tischplatte und Fußboden, ein paar Scheine flatterten hintendrein. Ich fand keinen Ausweis, keinen Führerschein, keine Kreditkarten, keine Krankenversicherungskarte, kein Foto, nichts Persönliches. Nur eine grüne Karte mit einem Magnetstreifen und einer eingestanzten Nummer: 17.
Ich kehrte mit der Karte zur Tür zurück und zog die Kartenseite mit dem Magnetstreifen durch den Schlitz im Kasten. Nichts geschah.
Ein neuer Versuch. Ein kleines grünes Lämpchen, das wie ein Käfer auf dem Kasten saß, leuchtete auf, und ich konnte die Tür öffnen.
An der äußeren Türfüllung prangte in schmucklosen Ziffern eine 17. Die Karte war also nur für diese Tür zu gebrauchen. Da sie mir zu nichts mehr nütze war und ich ohnehin keine Tasche hatte, in die ich sie stecken konnte, zerbrach ich sie und warf die Hälften in das Zimmer, bevor ich die Tür leise zuzog.
2
E in seltsames Krankenhaus, dachte ich beim Anblick des Ganges. An vielen Stellen blätterte der Putz großflächig von den Wänden. Nicht minder groß waren die feuchten Flecke, die ich überall entdeckte. Eine Menge Leitungen waren über Putz verlegt worden, auch diejenigen, die zu den Lampen führten, von denen der Gang mehr schlecht als recht beleuchtet wurde. Die diskusförmigen Leuchten, die an Fliegende Untertassen erinnerten, hingen so weit voneinander entfernt, dass es zwischendrin immer wieder fast dunkle Inseln gab. Wie eine Notbeleuchtung. Aber ich konnte keine anderen Lampen entdecken.
Nur an einer Seite des Ganges gab es in regelmäßigen Abständen Türen, alle weiß gestrichen und mit schwarzen Ziffern beschriftet. Links von mir schien der Gang endlos weiterzuführen, rechts gabelte er sich in zwanzig Metern Entfernung. Und von dort näherten sich Schritte. Harte Schritte, wie von Stiefeln.
Mit meinen nackten Füßen huschte ich lautlos über den rauen Boden. Kurz vor der Abzweigung, hinter der die Schritte lauter wurden, presste ich mich gegen die Wand und wartete auf den großen, wuchtigen Mann, an dessen rechter Seite eine klobige, kurzläufige Waffe hing. Verwirrung erfasste mich: Ich sah den Mann, obwohl er noch hinter der Mauerbiegung verborgen war!
Es war ein leicht verschwommenes Bild, nicht farbig, sondern aus hellen und dunklen Flächen und Linien zusammengesetzt. Doch es war scharf genug, dass ich seine Körperform erkennen konnte und auch die Tatsache, dass er eine Waffe trug.
Ich hatte keine Zeit, mich länger über die gespenstische Fähigkeit zu wundern. Der andere kam um die Biegung, sah mich und blieb erschrocken stehen.
Mit ungefähr einem Meter neunzig war er nur geringfügig größer als ich. Aber er war massiger und ganz sicher besser im Training. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schwarze Cargo-Hose, deren große Taschen ausgebeult waren. Seine Füße steckten in schwarzledernen Schnürstiefeln. An einem breiten Gürtel waren ein Walkie-Talkie, ein Handy, eine unterarmlange Stablampe und ein schwarzer Schlagstock befestigt. An der rechten Seite hing an einem Schulterriemen die Waffe, die ich bereits umrisshaft gesehen hatte: eine Heckler & Koch MP5K 9 mm. Nur etwas mehr als dreißig Zentimeter lang, konnte das kompakte Ding in der Theorie bis zu neunhundert Kugeln in der Minute verschießen. Und jetzt zeigte es auf mich.
All das raste in Bruchteilen von Sekunden durch meinen Kopf, während ich dem Mann in Schwarz entgegensprang. War es einfach nur Glück, dass ich ihm zuvorkam? Sicher hatte er nicht mit einem Angriff gerechnet. Aber vielleicht hätte er schneller reagiert, wenn sein Gegner nicht ein halb nackter Mann in einem wehenden Nachthemd gewesen wäre.
Wie auch immer, ich war froh, als meine Fäuste sich in sein dumpfes Arnold-Schwarzenegger-Gesicht rammten und ihn zu Boden streckten. Ich sprang auf ihn, verkrallte meine Hände in seinem lockigen Blondhaar und und stieß seine Stirn so lange gegen den Boden,
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