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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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bis er betäubt war und reglos unter mir lag. Blut sickerte aus mehreren Platzwunden an seiner Stirn.
    Mein Atem ging schnell und Schweiß bedeckte mein Gesicht. Ich war eine solche Aktion nicht gewohnt – nicht mehr gewohnt. Übung darin musste ich haben, und das nicht zu knapp, sonst hätte ich den Muskelprotz nicht so leicht flach legen können.
    Ich nahm die Waffe von seiner Schulter, öffnete seinen Gürtel, dann die Verschnürung seiner Stiefel und zog ihn aus, auch Strümpfe und Unterwäsche. Dann streifte ich das lächerliche Nachthemd über meinen Kopf und rieb damit den Schweißfilm aus meinem Gesicht. Die Sachen des Bewusstlosen waren mir ein wenig zu weit, aber ich hatte keine andere Wahl.
    Jetzt bereute ich, dass ich die Codekarte zerbrochen und ins Zimmer zurückgeworfen hatte. Hätte ich sie noch gehabt, hätte ich den reglosen Kleiderspender dort deponieren können. So musste ich ihn einfach hier liegen lassen und hoffen, dass er – und damit meine Flucht – nicht so rasch entdeckt wurde.
    Ich lief in die Richtung, aus der die blond gelockte Schwarzenegger-Variante gekommen war. Da ich keine Ahnung hatte, wo ich mich befand, war sie für mich so gut oder so schlecht wie jeder andere Weg. Nur eins war mir inzwischen klar, hatte meinen Verdacht zur Gewissheit werden lassen: Dies war kein normales Krankenhaus und ich war kein normaler Patient!
    Dieser Gang wirkte genauso verfallen wie der, an dem Zimmer 17 lag. Der feuchte Geruch von Moder und Schimmel stieg in meine Nase. Es gab keine Einrichtungsgegenstände. Die nackten, bröckelnden Wände warfen mir den Hall meiner schnellen Schritte hinterher. In der rechten Seite waren Türen eingelassen, nicht nummeriert und auch nicht mit einem Magnetcodeschloss versehen. Aber auch sie waren verschlossen, wie ich bei zwei hastigen Öffnungs ver suchen feststellte.
    Als der Gang sich mit einem anderen kreuzte, blieb ich mit der Heckler & Koch im Anschlag stehen und sah mich um, lauschte. Der Quergang schien sich kaum von dem zu unterscheiden, der mich hergeführt hatte: vereinzelte Deckenlampen, kahle Wände, ein paar Türen, sonst nichts. Ein schwacher Luftzug von rechts veranlasste mich, diese Richtung einzuschlagen. Wieder ging ich schnell, lief fast.
    »Götz?«
    Der Ruf ließ mich erstarren. Er kam von vorn, wo der Gang eine rechtwinklige Biegung nach links vollzog.
    »Götz? Bist du das?«
    Wieder konnte ich den anderen als hell-dunklen Schemen sehen, durch die Mauer hindurch. Er stand etwa acht Meter hinter der Biegung und richtete eine kleine, klobige Waffe nach vorn, vermutlich ebenfalls eine MP5K. Meine hastigen, lauten Schritte hatten mich verraten.
    Und wer war Götz? Mit einiger Wahrscheinlichkeit der Blonde, in dessen Kleidern ich steckte und dessen Waffe ich jetzt mit einer Bewegung meines rechten, noch immer schmerzenden Daumens, der den Sicherungshebel auf Feuerstoß schob, schussbereit machte.
    »Ja, ich bin's«, rief ich mit einer bewusst dumpfen Stimme, die hoffentlich nicht gleich zu identifizieren war. Gleichzeitig ging ich auf die Biegung zu. »Komm her, ich muss dir was zeigen!«
    Die Antwort erfolgte in zögerndem Tonfall: »Was zeigen, Götz? Was denn?«
    »Hier, auf dem Gang!« sagte ich laut und sprang um die Ecke.
    Ich wusste nicht, weshalb ich ihn trotz der Mauer sehen konnte. Aber es war ein Vorteil, den ich nutzen musste. In der Hoffnung, dass er nicht über dieselbe Fähigkeit verfügte. Ich kannte seine Position und sah ihn sofort im Halbdämmer stehen. Er war ähnlich gekleidet wie der Blonde, war aber etwas kleiner, mit dunklerem Haar. Fast so dunkel wie meins.
    Aus dem Sprung heraus ging ich in die Knie und sah, wie die Mündung seiner MP mir folgte. Mein rechter Zeigefinger zog den Abzugshebel durch, und das Mündungsfeuer blitzte auf. In dem leeren Gang krachte es wie Donnerhall, und mein Gegenüber wurde von der Wucht des Feuerstoßes zurückgeworfen. Rücklings ging er zu Boden, ohne selbst zum Schuss gekommen zu sein. Seine MP5K war ihm aus der Hand gefallen.
    Sein Körper zuckte noch, aber er würde es kaum überleben. Das erkannte ich, als ich mit schussbereiter Waffe neben ihm stand. Die Geschosse aus meiner MP hatten seine Brust auf die kurze Distanz regelrecht zerfetzt. Die Blutlache, die sich um ihn ausbreitete, wurde mit jeder Sekunde größer.
    Der Anblick des Sterbenden in seinem Blut wollte mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Der immer wiederkehrende Albtraum streckte seine feuchten roten Finger

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