Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
bestimmt gewarnt, dass ich nun mal ein verfluchter Dickschädel bin. Sie verschwenden bloß Ihre Zeit, Molly.“
Sie blinzelte und wirkte merkwürdig überrascht, weil er sie mit dem Vornamen ansprach. Verflucht, wenn er bloß nicht wieder diese seltsame Anziehungskraft spüren würde, wie ein Elektroschock in der Luft zwischen ihnen. Das war ein viel zu intimes Gefühl. Er wusste selbst nicht, wieso er ihren Vornamen benutzt hatte, aber auf seinen Lippen hatte es sich unbestreitbar gut angefühlt.
„Mir war schon klar, dass Sie nicht besonders kooperativ sein würden, dazu hat sie mir genug erzählt“, antwortete Molly nach einer kurzen Pause. Der Wind wurde stärker. Unter dem weichen Stoff ihres schlichten weißen Hemds traten zwei reizende, runde und hochstehende Brüste hervor. „Dass Sie so reagieren würden, davor hat sie mich auch gewarnt.“
Durch die dunklen Gläser konnte sie Ians scharfen Blick nicht wahrnehmen, eine ebenso heftige Erwiderung schluckte er jedoch hinunter. Es war eigenartig, aber je mehr sie ihm zusetzte, desto stärker war sein Verlangen.
„Also, wir können uns einfach jetzt gleich unterhalten“, erhöhte sie fest entschlossen den Druck, sein Schweigen ausnutzend, „oder ich schleiche Tag und Nacht hinter Ihnen her, bis Sie endlich aufgeben und sich anhören, was ich zu sagen habe. Ihre Mutter wird mir keine Ruhe lassen, solange Sie dazu nicht bereit sind.“
Ian stützte sein ganzes Gewicht auf den einen Arm, hielt den Hammer in der anderen Hand und musterte sie. Musterte sie auf eine Art, wie ein Boxer seinen nächsten Gegner abschätzt. Sie klang völlig selbstsicher, aber ihre Körpersprache verriet etwas anderes. Die kleinen Einzelheiten fielen ihm auf, zum Beispiel wie sie ständig über ihre Unterlippe leckte, wie ihre linke Hand sich dauernd zur Faust ballte und wieder entkrampfte, während die rechte den Lederriemen ihrer Handtasche umklammerte, als sei er ein Rettungsseil. Das alles erzählte eine ganz andere Geschichte. Weiße Handknöchel. Verkrampftes Rückgrat. An ihrem blassen Hals war der flatternde Puls deutlich zu erkennen. Nervosität? Oder Angst? Oder sexuelle Erregung?
Was immer es sein mochte, Ian war plötzlich ganz gefesselt vom intimen Anblick ihrer pulsierenden Halsschlagader unter dieser weichen makellosen Haut. Sie wirkte so zart, so zerbrechlich, als könnte er ganz leicht seine Zähne darin versenken und tiefe Abdrücke hinterlassen. Ihr Blut schmecken. Dies alles war den Träumen, die er manchmal hatte, so verdammt nahe, dass er sich vor Angst beinahe in die Hose machte.
„Selbst wenn wahr wäre, was Sie da sagen und was ich nicht eine Sekunde lang glaube – was könnte meine Mutter denn von mir wollen?“, stieß er tief aus seiner Brust hervor; jeder Sarkasmus und Witz waren aus seinen Worten entwichen. „Sie ist jetzt seit fünf Monaten tot, und in den letzten sechzehn Jahren ihres Lebens haben wir kein Wort miteinander gewechselt. Sich jetzt plötzlich versöhnen zu wollen, das kommt mir ein bisschen spät vor.“
„Elaina bedauert zutiefst, all diese Jahre vergeudet zu haben.“ Mollys Gesichtsausdruck war derart ernsthaft, dass er überzeugt war, sie glaubte ihren eigenen Blödsinn wirklich. Lieber Gott, die war tatsächlich vollkommen durchgeknallt. „Trotzdem hat sie Kontakt mit mir aufgenommen, denn sie möchte unbedingt, dass Sie über bestimmte Dinge informiert werden. Sehr wichtige Dinge, die sie Ihnen hätte erklären sollen, als sie noch die Zeit dazu hatte. Aber zunächst …“ Sie unterbrach sich, und bei dem Blick in ihre großen braunen Augen hätte er am liebsten die Hand nach ihr ausgestreckt und – zum Teufel, Ian hatte nicht den blassesten Schimmer, was er dann getan hätte. Zum Glück musste er das auch nicht herausfinden, denn sie räusperte sich, fuhr sich ein weiteres Mal nervös mit der Zunge über die Unterlippe, und sagte leise: „Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber jemand, der Ihnen sehr nahesteht, befindet sich in großer Gefahr.“
Oh, Mist. Was für ein krankhaftes Spiel wollte diese Kuh mit ihm spielen? Was immer es sein mochte, ihm reichte es jetzt.
„Für den Fall, dass Sie irgendwas nicht mitbekommen haben sollten, Miss Stratton, werde ich es noch einmal schön langsam und deutlich für Sie wiederholen. Ich finde so eine Scheiße nicht lustig.“ Jedes einzelne Wort kam mit beißender Präzision über seine Lippen, seine tiefe Stimme klang hart und unnachgiebig, und als er die
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